Oana Rosen

Interview mit der Frankfurter Architektin

Interview mit der Frankfurter Architektin Oana Rosen über das Wohlfühlen, Inspirationen aus anderen Kulturen, das Erkennen von Trends und das Besondere an Baden-Baden

Frau Rosen, was macht eine gute Innenarchitektin aus?
Oana Rosen: Innenarchitektur bedeutet, Räume zum Leben zu gestalten, sie mit Leben zu füllen, damit Menschen sich darin wohlfühlen. Hauptaufgabe ist es, Stimmungen zu erzeugen, dabei den Sinn zu erfüllen und der Aufgabenstellung gerecht zu werden. Eine Bar, eine Bankfiliale, eine Wohnung oder ein Restaurant sind völlig verschiedene Aufgabenstellungen mit sehr unterschiedlichen Ansprüchen. Ich brauche immer ein Gespür für die Menschen und ihre Erwartungen – dazu gehört viel Feingefühl und Empathie.


Sie sagen Wohlfühlen und Stimmung erzeugen, wo nehmen Sie die Inspirationen her, von welchen Kulturen, Ländern, Menschen ... wo ist die Quelle der Inspiration?
Rosen: Eine wichtige Quelle ist sicherlich das Reisen. Ich bin sehr viel unterwegs, schaue mir vieles an und sauge die neuen Eindrücke und Inspirationen förmlich auf. Ich war gerade in Kambodscha und Myanmar. Das sind un- glaublich viele Bilder und Stimmungen im Kopf, die ich mitbringe – wie die unglaublich rote Erde, die warmen Farben, die Formen, besondere Ornamente und Muster.


Wie viel ist Intuition, was speichern Sie wie ab, wie viel am Erfolg ist Handwerk und wie viel Talent?
Rosen: Inspiration hat viele Schichten. Vieles sehe ich, speichere es ab und greife eher im Unterbewusstsein darauf zurück. Es ist wie eine große Datenbank mit Raumeindrücken, Stimmungen und Bildern. Wenn ich durch ein Dorf fahre oder in einem Restaurant eine schöne Theke sehe – all das kann mal bei einem Projekt einfließen. Es gibt natürlich auch Dinge, die ich bewusst fotografiere, wie eine Vitrine im Raffles Hotel. Ich fotografiere ohnehin sehr gerne – manches sieht man auf Fotos besser. Inspirationen aufnehmen hat eigentlich nie ein Ende ..., trotzdem ist die Grundlage das von der Pieke auf gelernte Handwerk des Architekten, ohne welches man die Ideen nicht wirklich umsetzten kann. Und Talent? Das ist sicherlich die Abrundung zum stimmigen Gesamten.

Wie erkennen Sie Trends?
Rosen: Es gibt viele Modeerscheinungen, die sich schnell totlaufen. Viele Trends werden auch so überstrapaziert, weil sie überall auftauchen, dass man sie schnell nicht mehr sehen kann. Ich richte mich nicht wirklich nach Trends, sondern schaffe eigene „Welten“ für meine Bauherren, die perfekt auf diese abgestimmt und zugeschnitten sind.


Aber was ist für Sie modisch und was ist modern? Wie vermeiden Sie, dass die Kunden Ihre Arbeit nach zwei Jahren nicht mehr sehen können?
Rosen: Das kommt wirklich auf das Objekt, den Mut des Bauherrn und das Bauvorhaben an. Ich habe gerade einen sehr innovativen Schnellimbiss in Frankfurt realisiert, welcher 

welcher recht gewagt und auffallend ist. Das ist aufgrund des besonderen Designs ein großer Erfolg. Da kommen die Gäste auch mal nicht nur wegen der sehr guten Currywurst, sondern auch wegen des Designs hin. Wenn ich jedoch ein Hotel einrichte, muss es natürlich meistens modern, aber trotzdem zeitlos sein. Hotels werden in der Regel alle zehn bis 15 Jahre neu gestaltet – diese Zeit sollte es mindestens als zeitgemäß und wertig empfunden werden. In solchen Fällen bevorzuge ich eine klassische und zeitlose Eleganz mit modernen Akzenten, die sich nicht schnell abnutzt. Das gilt auch für Farben. Da achte ich im Normalfall drauf, dass nur die Dinge stark farbig oder in Modefarben sind, die leicht ausgewechselt oder geändert werden können. Aber auch das lässt sich nicht immer verallgemeinern. Die Bauherren sind da sehr individuell und unterschiedlich progressiv. Das ist immer wieder eine große Herausforderung.

Was sollte man auch als Laie bei der Neugestaltung eines Raumes beachten?
Rosen: Zunächst einmal rate ich, den Raum mal ganz leer und aus allen Perspektiven zu betrachten – am besten zu verschiedenen Tageszeiten. Und dies auf sich wirken zu lassen. So sieht man die Raumachsen, die Blickverbindungen innerhalb der Räume und auch nach draußen, den Licht- und Sonneneinfall und die hellen und dunklen Stellen. Dann muss man natürlich die Funktionen der Räume prüfen und abwägen. Es sollten Bereiche definiert und geschaffen werden – die der Funktion, der Bewegung, die des Zusammentreffens und Aufenthalts und natürlich die der Ruhe, in die man sich zurückziehen kann. Diese sind abhängig von Himmelsrichtung, Größe, Lage et cetera. Bei allen Räumen spielt das Licht eine sehr große Rolle für das Wohlbefinden und die Stimmung – das Tageslicht und auch die geschickte Ausleuchtung am Abend. Bei der Einrichtung ist es sehr persönlich – jeder fühlt sich in einem anderem Zusammenspiel von Stilen, Formen und Farben wohl. Man sollte darauf achten, dass die Proportionen zusammenpassen – die Räume sollten nicht erschlagen werden mit zu vielem. Lieber weniger und dem Auge und der Seele ein wenig Luft lassen. Wichtig finde ich auch, gerade im Privatbereich, dass die Räume ein Stück Persönlichkeit und Individualität erkennen lassen – durch Andenken, Fotos et cetera. Und noch ein Tipp: Nicht alles auf einmal kaufen, sondern die Wohnung wachsen lassen. Ruhig mal ausprobieren, um- stellen und in Ruhe nachkaufen, wenn noch etwas fehlt.

Welchen Maler, welchen Künstler schätzen Sie besonders?
Rosen: Ich mag gerne Gerhard Richter, Julien Schnabel, Werke von Sigmar Polke, aber auch Egon Schiele und die alten Meister. Ich mag moderne Kunst, wobei es für mich nicht unbedingt abstrakt sein sollte.

Und Musik? Spielt sie eine besondere Rolle für die Inspiration?
Rosen: Bei mir ist es eine komische Mischung – ich höre gerne Soul, aber auch sehr gerne deutsche Musik wie Roger Cicero und Grönemeyer und auch mal Pavarotti.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Formen, Farben, Ideensuche und Musik?
Rosen: Musik kann eine Stimmung sehr unterstützen. Das ist auch ein wichtiger Bestandteil von vielen und auch unseren Interiorkonzepten. Ob man im Abercrombie durch die laute Musik zum Kaufen animiert wird oder in einem indischen Lokal durch indische Musik in die besondere Welt entführt wird oder in einer Hotellobby mit cooler Musik sich lieber auf einen Drink hinsetzt, um abzuschalten. Musik wirkt subtil und ist richtig eingesetzt sehr wirksam. Bei der Lobby eines Altenheims, welche wir kürzlich entworfen haben, haben wir neben warmen Farben und der wohnzimmerartigen gemütlichen Einrichtung auch Musik eingesetzt. Ich für mich habe oft nicht die Ruhe, aber wenn ich beim Entwerfen Musik laufen habe, dann beflügelt es mich.

Und was ist das Besondere am Club Bernstein in Baden-Baden?
Rosen: Die Aufgabe war schon sehr groß, im altehrwürdigen, denkmalgeschützten Baden-Badener Kurhaus zu bauen. Ich empfand das als große Ehre. Wenn man aus der Bankenstadt Frankfurt kommt, ist Baden-Baden wirklich faszinierend schön! Die Bar hatte vorher eher schlicht ausgesehen, wie halt eine Bar in den 80er Jahren. Die Aufgabe war, etwas modernes zu schaffen, aber nicht zu superspacig. Es war auch wichtig, gegen das wunderbare Gebäude nicht abzufallen.

Haben Sie weltweit eine Lieblingsbar?
Rosen: Da gibt es einige, die ich mag – zum Beispiel die Bar im Amante in Ibiza, das Vertigo über den Dächern von Bangkok oder die sensationelle Boom Boom Bar in New York, die rundum verglast ist.

Was lieben Sie an Baden-Baden?
Rosen: Am meisten liebe ich die Entspanntheit. Wenn ich nach Baden-Baden komme, hat es immer einen Touch von Urlaub. Die Stadt ist schön und die Menschen freundlich und zugänglich.

Gibt es etwas, was Sie noch gerne bauen würden?
Rosen: Ja, eine Kirche und ein Museum ...

Sie waren kürzlich am Umbau einer Synagoge beteiligt?
Rosen: Ja, ich durfte das Reinigungsbad für die Frauen in der Synagoge umbauen. Das ist mit vielen schönen Ritualen verbunden. Das war eine Aufgabe mit viel Tiefgang und es hat Einfühlungsvermögen erfordert. Es hat Freude gemacht, sich damit zu beschäftigen.

Und wie wohnen Sie selbst?
Rosen: Ich wohne seit vielen Jahren im Frankfurter Westend in einer Altbauwohnung mit quietschenden Flügeltüren. Es ist eine gewachsene Wohnung – eine Mischung aus moderner Einrichtung, Antiquitäten, Fundstücken, Kunst und dem Einfluss meiner beiden Töchter. Fast jedes Stück hat seine Geschichte, ob vom Antiquitätenmarkt, von der Messe, einer Auktion oder einer Reise. Auch für mich ist das Wichtigste – meine Räume zum Wohlfühlen.

Horst Koppelstätter

Oana Rosen
ist Diplom-Ingenieurin. Sie studierte in Darmstadt Architektur und machte sich anschließend
selbstständig. Sie ist spezialisiert auf Interior-Design-Konzepte.1996 gründete sie das Büro
Rosen Architekten in Frankfurt und war maßgeblich an der Planung großer Häuser wie dem
Roomers Hotel in Frankfurt oder dem Frankfurter Designhotel „The Pure“ beteiligt. Oana Rosen
hat auch eine Reihe von hochwertigen Villen, Appartments, Restaurants, Bars, Boardinghäusern
sowie mehrere Verwaltungsgebäude von Versicherungen und Banken, gestaltet.