„Man muss teilen wollen“

Ziermann Holzbau in Rastatt

Ziermann Holzbau in Rastatt geht im Zimmermannshandwerk neue Wege. Mit der Umwandlung seiner Firma in eine Kommanditgesellschaft beteiligte Kurt Ziermann seine Mitarbeiter – und gab ihnen mehr Eigenverantwortlichkeit. Er stellt damit traditionelle Strukturen ziemlich auf den Kopf.

Wie stellt man sich landläufig einen Zimmermann vor? Breit- schultriger Typ mit schwarzer Zimmermannshose aus Cord und Rauschebart? Kurt Ziermann erfüllt dieses uralte Klischee Eins zu Eins. Zumindest äußerlich. In seinem Betrieb hingegen hat er traditionelle Strukturen längst eingetauscht gegen neue Ideen. „Die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen“ – die lateinische Phrase ist auch das Credo des Zimmermanns aus Rastatt. Kurt Ziermann hat erkannt, dass es neuer Modelle bedarf, wenn man Mitarbeiter langfristig an sich binden will. Und er fährt gut damit.

Als Ziermann 1995 seinen Meisterbrief in der Hand hatte, gründete er am Tag darauf einen Zimmereibetrieb. Ein Jahr später trat er
die Unternehmensnachfolge vom damaligen Inhaber Adolf Hüttenrauch in Rastatt an. „Ich musste plötzlich Buchhaltung lernen und wurde immer mehr vom Handwerker zum Geschäftsführer“, so der gelernte Stahl- und Betonbauer, der sich erst im zweiten Anlauf für den Beruf des Zimmermanns entschied. „Keine einfache Sache, so von heut’ auf morgen“, blickt der gebürtige Saarländer zurück. „Das klappte nur, weil meine Frau mir den Rücken freigehalten hat. Eine stabile Partnerschaft ist die zentrale Voraussetzung für eine Betriebsgründung.“

 Geht neue Wege im Zimmermannshandwerk: Freigeist Kurt Ziermann.

Gute Mitarbeiter zu rekrutieren war eine weitere Herausforderung für den Firmenchef, der eher ein Freigeist ist – kein Chef, der von oben nach unten agiert. Ende der Neunziger wandelte er die Fima in eine Kommanditgesellschaft um und beteiligte die Mitarbeiter an Gewinn und Mitspracherecht. Heute, fast 20 Jahre später, sind es vier Kommanditisten. „Im Handwerk muss man auch über solche Formen nachdenken“, ist Ziermann überzeugt. „Die Frage ist schließlich, wie man heute bestehen kann und will.“

Alle vier Mitgesell- schafter, darunter auch eine Frau, haben Familie. Ein wichtiges gesellschaftliches Thema, das für Ziermann mittlerweile mit voller Wucht in den meisten Betrieben angekommen ist und viel Flexibilität von den Arbeitgebern fordert. Wer kann und will wie viel und wie lange arbeiten? Wie gestaltet sich die Elternzeit? „Wenn man hier keine Lö- sungsvarianten anbietet, kommt man ganz schnell ins Hintertreffen, wenn es um die langfristige Bindung von Mitarbeitern geht.“

Viele Male wurden Lehrlinge von Ziermann mit dem Werner-Stober- Preis ausgezeichnet. Auch das Unternehmen selbst wurde 2017 mit dem Preis für vorbildliche und kontinuierliche Ausbildung geehrt.

Was macht ihn als Arbeitgeber so beliebt? „Man muss teilen wollen“, sagt Ziermann und wirkt dabei so authentisch wie sein Outfit. Das bedeutet, man muss auch Verantwortung abgeben? „Ja, und das wiederum hat viel mit Vertrauen zu tun. Von Lenin kennen wir den Spruch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, zitiert er. „Ich finde, man müsste den Satz eher umdrehen. Entweder vertraue ich meinem Mitarbeiter, dann ist Kontrolle zweitrangig, oder ich habe kein Vertrauen, dann muss ich mich von ihm trennen.“

Über den Dächern von Rastatt

13 Azubis beschäftigt das Unternehmen. Davon drei Frauen und drei Flüchtlinge. „Beides sind Randgruppen im Dachhandwerk“, erklärt Ziermann. Frauen waren bis zur Wende für diesen Beruf überhaupt nicht zugelassen. Dass sich diesbezüglich einiges getan hat, beleuchtet auch der Film „Allein unter Männern – über den Dächern von Rastatt“, den der SWR vor einigen Jahren über den Zimmereibetrieb gedreht hat.

Thema Flüchtlinge: Wie gelingt es den Menschen beispielsweise aus Syrien oder dem afrikanischen Raum, sich zu integrieren? „Nicht jeder Flüchtling schafft problemlos die Schule, das ist schon ein Thema“, so Ziermann. „Viele sind traumatisiert und man braucht insgesamt natürlich mehr Geduld. Aber es lohnt sich. Und was die Arbeitsmotivation angeht, da unterscheiden sich Flüchtlinge kaum von den Einheimischen. Im Gegenteil, sie sind durch ihre Geschichte manchmal sogar viel motivierter.“

Auch im Zimmererhandwerk hat sich eine rapide, tiefgreifende technische Wandlung vollzogen. „Das traditionelle Arbeiten am Objekt vor Ort ist aber genauso vorhanden und wird sich hier nur schwerlich ändern lassen“, sagt Ziermann. Nachgedacht werden müsse eher über die Strukturen im Betrieb. Der Kunstgriff, statt mit Subunternehmern zu arbeiten, andere Gewerke direkt im Unternehmen anzusiedeln, ist für Ziermann ein wichtiger Schritt in die Zukunft. „Wenn ich einen Dachstuhl neu baue oder renoviere, möchte ich auch wissen, wie das Dach insgesamt funktioniert. Wir versuchen, unser Wissen mit dem anderer Gewerke zu verbinden. Deshalb haben wir jetzt beispielsweise auch Dachdecker und Klempner bei uns und wir können auch Dachdecker und Klempner ausbilden.“

Dem Kunden dürfte es vordergründig erst einmal egal sein, wie der Betrieb funktioniert. „Stimmt“, sagt Ziermann, „der Kunde möchte vor allem eines: ein gutes Dach! Deshalb brauche ich gute Mitarbeiter auf der Baustelle. Genau das ist der Knackpunkt: Wenn es ihnen gut geht, ich sie gut ausbilde und ihnen eine Perspektive biete, dann kriegt der Kunde auch ein gutes Dach. Und das ist schließlich das Wichtigste.“

Ariane Lindemann

Quelle: YouTube