Comeback des Fahrrads – auch im Handwerk?

Lastenräder

Sie kennen in der Regel weder Parkplatznot noch Stau und belasten außerdem die Luft in den Städten nicht: Lastenräder. Dank Elektroantrieben erleben sie ein Revival – mit Potenzial auch für das Handwerk.

Lastenräder gibt es schon lange, bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten entwickelt. Bis zum Zweiten Weltkrieg gehörten die Räder mit ihrem charakteristischen langen Radstand und der Ladefläche in europäischen und amerikanischen Städten zum alltäglichen Bild.

Dann verbreiteten sich die Autos und die muskelbetriebenen Drahtesel verschwanden von den Straßen. Seit einigen Jahren aber erleben die Transporträder ein Comeback – besonders seit Elektroantriebe die Fortbewegung samt Lastentransport erheblich erleichtern. In den Innenstädten sieht etwa der Verkehrsclub Deutschland (VCD) das Fahrrad klar im Vorteil: In der Regel steht man nicht im Stau und es entfällt die Parkplatzsuche. Weil man gegenüber dem Auto oder motorisierten Transportern leichter abkürzen kann, sparen Radler Zeit, und klimaschonend ist das Ganze auch noch.

Laut Angaben des VCD spart ein Lastenrad, das 20 Kilometer täglich im Stadtverkehr bewegt wird, im Vergleich zu einem Kleinwagen 800 Kilogramm CO2 pro Jahr. Auch der Verkehrslärm wird deutlich reduziert.

 Lastenräder gibt es in vielen unterschiedlichen Ausführungen.

„Generell ist das Fahrrad auf den ersten fünf Kilometern in der Stadt das schnellste Verkehrsmittel“, erklärt Johannes Schell vom Stadtplanungsamt Karlsruhe. „Bei Rädern mit Elektroantrieb weitet sich dieser Vorteil sogar auf zehn Kilometer aus.“ Schell hat bereits zwei Lastenrad-Aktionen der Stadt Karlsruhe organisiert, jeweils unter dem Motto „Umsteiger gesucht!“. Die Teilnehmer konnten dabei ein Lastenrad mehrere Wochen leihweise testen. „Wir hatten mehr als 300 Interessenten, darunter Hausmeister und eine medizinische Fußpflegerin, die sich danach ein Lastenrad gekauft hat“, sagt er. Mittlerweile hat sich, unter anderem aus diesem Anschub, in der Fächerstadt die Initiative „Lastenkarle“ gebildet, die seit Oktober 2017 einen kostenlosen Lastenradverleih anbietet. „Mit unseren Aktionen wollten wir den Leuten die Vorteile des Lastenrads als modernes und umweltfreundliches Transportmittel gezielt näher bringen. Viele Gerätschaften können mit so einem Rad völlig unkompliziert befördert werden", betont Schell. Grundsätzlich sei es auch für jeden Handwerker eine Alternative. „Bei einer gewissen Umorganisation ist das sogar für einen Zimmermann vorstellbar, er kann sich große Materialien ja direkt auf die Baustelle liefern lassen.“ 

Neben der Schnelligkeit auf kurzen Distanzen nennt der Experte noch die geringen Betriebskosten als Vorteil. „Was braucht ein E-Lastenrad? Ein bisschen Strom“, erläutert er. „Dagegen kommen Handwerksbetriebe, die ja meist nur kurze Distanzen zurücklegen, oft auf einen unverhältnismäßig hohen Spritverbrauch von rund 30 Litern bei 100 Kilometern, wenn der kalte Motor jedesmal neu gestartet wird.“

Transport mit „Rückenwind“

Lastenräder gibt es mittlerweile in vielen Variationen und für unterschiedlichste Nutzungsmöglichkeiten. Durch die elektrische Unterstützung fährt sich der klassische Transporter heutzutage auch mit realtiv schwerer Ladung wie mit Rückenwind. Bereits über ein Dutzend Hersteller haben zwei- oder dreirädrige Lasteräder mit elektronischem Antrieb entwickelt. Die meisten Modelle können Lasten zwischen 50 und 100 Kilogramm transportieren, manche aber auch bis zu 500 Kilo. Während herkömmliche Lastenräder bereits für unter 2.000 Euro zu haben sind, müssen für die meisten elektronischen allerdings deutlich über 3.000 Euro hingeblättert werden. Premium-Modelle kosten auch schon mal 6.000 Euro. Bei den meisten Herstellern können die Aufbauten von Lastenrädern auf die unterschiedlichsten Transportbedürfnisse zugeschnitten werden. Für Pedelecs, also Elektrofahrräder, bei denen ein Elektromotor lediglich unterstützt, benötigt man keinen Führerschein. Diese Räder fahren mit Tretunterstützung bis zu 25 Stundenkilometer. Für schnellere Räder bis 45 Stundenkilometer ist ein Versicherungskennzeichen notwendig.

 Unter anderem bei der Karlsruher Aktion „Umsteiger gesucht!“ nutzte die Schreinerei Kalesse ein Lastenrad als „rollenden Werkzeugkoffer“.

Benzinkutsche oder Drahtesel? Mit dieser Frage beschäftigt sich beispielsweise auch die Schreinerei Kalesse in der Karlsruher Oststadt schon seit einiger Zeit. Sie beteiligte sich bereits an den „Umsteiger“-Aktionen der Stadt Karlsruhe, damals mit einem herkömmlichen, von Muskelkraft angetriebenen Rad. Gegenwärtig macht sie bei einem Test vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit und hat dafür ein Elektrolastenrad bekommen. Noch bis Mitte 2019 probieren bundesweit mehrere hundert Unternehmen und Einrichtungen das Lastenrad als gewerbliches Transportmittel und testen jeweils drei Monate seine Alltagstauglichkeit. „Prinzipiell sind Lastenräder eine super Sache“, sagt Juniorchef Stefan Kalesse. „Unser E-Lastenrad ist fast schon ein Sportflitzer und erleichtert viele Einsätze.“ Der rollende Untersatz mit der Extrakraft aus der Batterie kommt in der Schreinerei vor allem als „rollender Werkzeugkasten“ zum Einsatz. Für den Transport sperriger Materialien oder einer Leiter eigne es sich allerdings weniger. „Ich denke, Lastenräder sind vor allem eine gute Alternative für Servicebetriebe“, findet Kalesse. Außerdem sieht er die Vorteile auf einen Radius von etwa zehn Kilometer und in einer Stadt begrenzt. „Ab etwa 45 Minuten wird einfach die Anfahrt zu lang“, erklärt er. Für das DLR sind die Potenziale trotz solcher Beschränkungen aber noch längst nicht ausgeschöpft. Einer Studie der Forschungseinrichtung zufolge könnten langfristig bis zu 23 Prozent aller Fahrten im Wirtschaftsverkehr auf das Fahrrad verlagert werden.

„Ich entlaste Städte“ nennt sich ein Lastenrad-Testangebot auch für gewerbliche Nutzer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (www.dlr.de).

Infos und Bewerbung zur Projektteilnahme unter www.lastenradtest.de.

Bei der Handwerkskammer Karlsruhe berät Joachim Walter, Ansprechpartner zum Stichwort Technik, auch zum Thema Lastenräder: Telefon 0721 1600-165

Christoph Ertz