Wo die Stadt zur Ruhe kommt

Der Botanische Garten in Karlsruhe

Kamelien, Palmen, immergrüne Magnolien und Seerosen, dazu die italienisch anmutende Architektur von Heinrich Hübsch und der Duft nach Vanille: Der Botanische Garten in Karlsruhe mit seinen spektakulären Gewächshäusern wurde einst als fürstlicher Lustgarten angelegt.
Bis heute versprüht er südlichen Charme und mediterrane Lebensfreude. Der aufwändige Umbau der Glashäuser hat die prachtvolle botanische Vielfalt, die sich am Bestand und der Gartenkultur des 19. Jahrhunderts orientiert, nun wieder ins rechte Licht gerückt.

Eine Agave blüht nur ein einziges Mal in ihrem Leben. Meist braucht es Jahrzehnte, bis sich die Blüte zeigt. Das wusste auch Markgraf Karl Wilhelm (1679-1738), als er die exotische „Jahrhundertpflanze“, die gerade groß in Mode war, in seiner Stadt ansiedelte. Nach 26 Jahren blühte 1747 die erste Agave in Karlsruhe. Über 5.000 gelbe Blüten will man am meterhohen Blütenstamm gezählt haben.

Der Markgraf liebte Pflanzen und Gärten. Als seine neu gegründete Residenzstadt Karlsruhe erblühte, hielt auch eine prachtvolle Gartenkultur Einzug am Schloss. Neben vielen Tausend verschiedenen Blumensorten und exotischen Pflanzen sammelte der leidenschaftliche Blumenfreund vor allem Tulpen. Die über 5.000 Tulpenarten, die er überwiegend aus Holland importierte, waren in den berühmten Tulpenbüchern dokumentiert, die von Hofzeichnern angefertigt wurden. Für botanische Studien und um seine Pflanzensammlung aufzustocken, schickte der Stadtgründer seinen Hofgärtner sogar extra auf eine große Afrikareise.

Sein Enkel und Nachfolger Karl Friedrich (1728-1811) teilte die Leidenschaft für alles, was wächst und blüht, und ließ den Botanischen Garten an seinem heutigen Ort anlegen. Auch wenn man den badischen Herrschern eher Sparsamkeit nachsagte: In ihre Gartenanlagen investierten sie generös.

Die Stadt bleibt draußen

Es ist ein wahres „Paradieschen“, das sich zwischen Kunsthalle und Bundesverfassungsgericht als kleiner Park-im-Park an den Schlossgarten anschmiegt. Eine Naturoase im Herz der City. Ein Garten voller leuchtender Farben und Düfte. Die Zeit scheint hier stillzustehen. Immer wieder sieht man Besucher, die auf ihrem Rundgang durch die Flora ihre Nasen in die prächtigen Blütenkelche stecken, um herauszufinden, wo der zarte Duft nach Vanille oder Jasmin herkommt. Da hinein mischt sich ab und an eine Brise feinsten Rosenduftes.

Die Stadt bleibt draußen – vor dem schmiedeeisernen Tor, das den ruhigen Garten vom hektischen Treiben trennt. Nur das „Bähnle“ ist zu hören. Die alte Dampflok pfeift und schnaubt im Sommer, vollbesetzt mit Passagieren, auf ihrem Weg durch den großen benachbarten Schlosspark zwischen den großen alten Bäumen hindurch.

Lieblingsplätze inmitten von Exoten

Mehr als 40.000 verschiedene Pflanzenarten wuchsen zur Zeit Karl Friedrichs unter den Glasdächern der botanischen Sammlung. Aus fast allen Regionen der Erde holte man fremdländische Gewächse ins Badische. Damals war der Garten ein „hochfürstlicher Lustgarten“ mit prachtvollen Orangerien, Blumengärten und Glashäusern, Volieren und Grotten. Die Pflanzenhäuser des Architekten und Weinbrenner-Schülers Heinrich Hübsch kamen Mitte des 19. Jahrhunderts dazu. Italien-Verehrung und Historismus brachten südliches Flair in die Residenzstadt. Bis heute ist der Botanische Garten ein ganz besonderer Ort. Zum Spaziergehen, zur Pflanzenschau oder um unter der prachtvollen, einst verglasten Stahlkonstruktion neben dem steinernen Torbogen, einen Capuccino zu trinken.

Rund 300 Pflanzkübel mit Rosen, Lilien, Grantapfelbäumen und großen Palmen zieren die Kieswege des hübschen Gartens. Oliven, ein Kakaobaum, die riesige Hängebuche und ein Mammutbaum fühlen sich im badischen Klima wohl. Seerosenblätter sonnen sich auf der Oberfläche eines runden steinernen Wasserbeckens. Die Bänke um das Becken sind besonders an Sonnentagen begehrte Logenplätze inmitten des blühenden Gartens.

Berühmt war der Botanische Garten zu Zeiten des Großherzogs Karl Friedrich vor allem wegen seiner Dahlien und seltenen Zitrusgewächse. Die drei großen Glashäuser, bestehend aus Kalthaus, Palmenhaus und Tropenhaus, beherbergen Pflanzen aus drei verschiedenen Klimazonen. Der Gang durch die Schauhäuser ist wie eine Reise durch viele Länder der Erde. Unter den stimmungsvollen Glasdächern reihen sich Exoten dicht an dicht: Orchideen, Paradiesvogelblumen, Kakteen und Sukkulen- ten, Palmen und viele mehr.

Wie vor 150 Jahren

Der vereinfachte Wiederaufbau nach dem Krieg und Umbauten für die Bundesgartenschau 1967 wurden der Originalanlage allerdings nie völlig gerecht. Die Schauhäuser waren außerdem in die Jahre gekommen. 3,5 Millionen Euro hat das Land daher jetzt in ein Facelifting gesteckt. Die Investition hat sich gelohnt. Hell und großzügig, herrschaftlich und vor allem in Anlehnung an die Ästhetik des 19. Jahrhunderts wurden die Glashäuser nach zweieinhalb Jahren Sanierungszeit wieder neu eröffnet. Das Besondere: Die historischen Schaugewächshäuser wurden nach Plänen und Dokumenten aus dem 19. Jahrhundert aus dem Bestand des Generallandesarchivs und dank erhaltener Originalpläne von Heinrich Hübsch neu verglast. Jetzt sehen sie wieder fast so aus wie damals.

Neben den Sa- nierungskosten wurden rund 80.000 Euro in Pflanzen investiert. „Dank eines historischen Pflanzenführers und vor allem auch mit Unterstützung der Wilhelma in Stuttgart konnten wir einen großen Teil des damaligen Pflanzenbestandes erfolgreich wiederherstellen. Abgeschlossen sind die Recherchen aber noch lange nicht“, erklärt Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. „Einige Pflanzen stammen sogar noch aus der Entstehungszeit des Botanischen Gartens. Dem Doppelpalmfarn beispielsweise konnten weder der Krieg noch mehrfache Umpflanzungen etwas anhaben“, so Hörrmann. „Man kann sich gut vorstellen, wie vor 150 Jahren die Karlsruher Bürger hier im Trocke- nen und Warmen flanierten und den Anblick der exotischen Pflanzen genossen“, heißt es in der Pressemitteilung der Staatlichen Schlösser und Gärten in Baden-Württemberg im Zuge der Eröffnung. Bei den Sanierungsarbeiten hat man im Kalthaus einen Kaskadenbrunnen entdeckt, der über viele Jahrzehnte unter einem Kakteenhügel verborgen war und jetzt wieder reaktiviert wurde.

Das Erblühen der ersten Agave deutete man damals als Glückszeichen für die gerade angetretene Herrschaft von Markgraf Karl Friedrich von Baden. 2008, zum 200. Jahrestag des Botanischen Gartens, gab es erneut einen Blütensegen, dann wieder 2013. Die letzte Agavenblüte war 2016 zu bewundern. Ihre gelbe Blütenpracht überragte drei Stockwerke.

Man kann sagen, mit dem Umbau hat der Botanische Garten ein Revival erlebt. In den ersten Monaten nach der Renovierung stiegen die Besucherzahlen sprunghaft an. Wen wundert’s. „Der Botanische Garten ist ein Ort, wo die Stadt zu sich selbst und zur Ruhe kommt. Es gibt keinen lauschigeren Platz in der Großstadt Karlsruhe“, ist auch Michael Hörrmann überzeugt.

Ariane Lindemann