Weltoffene Schauspielerin ohne Allüren

Natalia Avelon ist KSC-Fan, repariert Autos und weiß gutes Handwerk zu schätzen / Durchbruch als Uschi Obermaier / Von Berlin aus Auftritt in der Karlsruher Heimat

Ohne die Kunst der Handwerker stehen auch die größten Schauspieler schnell im falschen Licht, machen eine schlechte Figur im ungünstigen Kostüm oder stolpern über die schlecht gebaute Bühne. Jeder Theaterabend gewinnt durch raffinierte Bühnenbilder, austarierte Lichttechnik und aufwendige Kostüme an Stimmung. „Ich bin beispielsweise ein Lichtfreak. Das falsche Licht kann einen komplett krank machen, wohingegen die richtige Beleuchtung für frisches, gutes Aussehen sorgt“, weiß die Schauspielerin Natalia Avelon. Daher nimmt sie die Diskussionen zwischen Regie und Technik sehr ernst und schätzt gutes, professionelles Handwerk auf und hinter der Bühne. „Es gibt Möglichkeiten, hässliche Menschen schön zu machen und umgekehrt. Auch die Atmosphäre hängt stark vom Licht ab: Blaues Licht taucht alles in eine kühle Stimmung, während Kerzenschein für Intimität sorgt“, beschreibt die sympathische Frau, die zuletzt im Kammertheater Karlsruhe auf der Bühne stand.

Ihren Durchbruch erlebte sie 2007 als Uschi Obermaier in dem Kinofilm „Das wilde Leben“. In der Filmbiografie über das deutsche Sexsymbol der 68er spielte Avelon unter anderen an der Seite von Matthias Schweighöfer. „Eine Zeitlang konnte ich das Wort sexy wirklich nicht mehr hören. Anfangs war die Rolle wie ein Fluch, aber mittlerweile weiß ich die Vorzüge zu schätzen. Diese Rolle hat mir Türen geöffnet, es war mein Debüt, das ist und bleibt etwas Besonderes. Ich habe ein Jahr hart gearbeitet und mich intensiv mit den 1960er und 70er Jahren auseinander gesetzt. Mit der echten Uschi Obermaier habe ich definitiv meine Freiheitsliebe gemeinsam“, lacht Natalia Avelon.

Kindheit in Ettlingen

Die 36-Jährige ist in Polen aufgewachsen und emigrierte im Alter von neun Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland. Sie wuchs dann in Ettlingen-Schöllbronn auf. „Wir sind sehr nett aufgenommen worden. Hier habe ich schnell eine zweite Heimat gefunden und in der Schule die deutsche Geschichte gelernt.“ Nach dem Abitur stand sie schon im Karlsruher Jakobus-Theater auf der Bühne. Noch unter ihrem bürgerlichen Namen Natalia Siwek entdeckte sie dabei ihre Liebe zur Schauspielerei, nahm Unterricht, lernte tanzen und Hip-Hop und ließ sich coachen. Schon drei Jahre später begann sie als Natalia Avelon ihre Fernsehkarriere und spielte 2002 auch in der Kinokomödie „Der Schuh des Manitu“. Heute hat sie jährlich drei bis vier ganz unterschiedliche Fernsehrollen. „Jede Rolle ist eine neue Herausforderung.

Ich spiele ja nie mich selbst, sondern versuche, mich authentisch in die jeweilige Rolle einzufinden. Es ergeben sich dabei spannende Charakterstudien. Kürzlich spielte ich eine Prostituierte in einem Taunus- Krimi, davor eine Ärztin und eine Mörderin“, erzählt die hübsche Brünette.
Im Kammertheater Karlsruhe spielte sie eine Hauptrolle in der Komödie „Wer mit Wem – Die Wahrheit“. In dem philosophischen Stück aus der Feder des Franzosen Florian Zeller geht es um zwei Paare, die einander mit dem jeweils anderen Partner betrügen und sich fragen, ob es besser ist, weiter zu lügen, um den anderen zu schützen oder die Wahrheit zu sagen. „Manchmal verletzt die Wahrheit mehr als eine Lüge, aber ich bin ein ehrlicher Mensch und finde es mutiger, wenngleich risikoreich, die Wahrheit zu sagen. Sich selbst gegenüber sollte man treu und ehrlich sein, auch wenn man dafür manchmal gegen den Strom schwimmen muss. Manche können jedoch mit der Wahrheit nicht umgehen“, sinniert der Star. Avelon freut sich, wenn ihre Aufführungen die Besucher zum Schmunzeln und zum Nachdenken anregen.

Melancholie und Pünktlichkeit

Sie ist ein bodenständiger Typ, liebt Hausmannskost, fiebert mit dem KSC, hat Leichtathletik gemacht und kennt sich mit Autos aus. „Ich betätige mich gerne handwerklich und streiche meine Wände und montiere Regale oder Möbel. Nur für die Haute Cuisine reichen meine Kochkünste nicht wirklich“, gesteht sie lachend. Aus ihrer Kindheit in Polen kennt sie viele Suppen, was sie immer noch liebt, ebenso wie die polnische Spezialität Piroggen (gefüllte Teigtaschen). Eine gewisse Melancholie hafte ihr noch von ihrer Heimat aus Polen an, sagt sie, ihre Pünktlichkeit sei dagegen typisch deutsch. Impulsivität, Intuition und Weltoffenheit zeichnen sie aus und es geht ihr weniger um Nationen, denn um Menschen. Avelon hat ihren Traumjob gefunden, sie reist gerne, hat als Nachtschwärmer keine Probleme, jeden Abend auf der Bühne zu stehen, und wenn die Zeit es erlaubt, will sie noch Restaurieren lernen. „Ich bin ein großer Fan von guter Inneneinrichtung und folge auf Instagram allen möglichen Designern und Architekten“, erklärt Avelon.

Überraschende Einblicke: „Ich betätige mich gerne handwerklich“, sagt Natalia Avelon.

„Kunst muss Geheimnis haben“

Ihr lässiger Look steht der zierlichen Frau mit der enormen Präsenz. Eine große Rolle in einem international bedeutenden Film, davon träumt sie noch und wird immer wieder von bekannten Regisseuren wie Leander Haußmann, Oskar Roehler oder Dominik Graf zum Casting eingeladen. Sie selbst liebt die Filme von David Lynch, schaut immer wieder „Der Zauberer von Oz“, aber auch „Avatar“, und ist bekennender „Serienjunkie“. Kunst soll für sie facettenreich sein, reine Unterhaltung ohne doppelten Boden interessiert sie weniger. „Kunst muss ein Geheimnis haben“, meint Avelon. Mittlerweile lebt sie in Berlin, doch in die Fächerstadt kommt sie immer wieder gerne: Karlsruhe habe sich sehr zum Positiven entwickelt, urteilt die Schauspielerin.

Ute Bauermeister