Wo die Münzen entstehen

Bis zu einer Milliarde Münzen werden im Jahr geprägt – auch Sondermünzen.

Die Staatliche Münze Karlsruhe ist die kleinste deutsche Münzprägestätte. Zusammen mit der Prägestätte in Stuttgart bildet sie die Staatlichen Münzen Baden-Württemberg, die rund 40 Prozent des deutschen Münzbedarfs abdecken. Blick ins Innere eines denk- malgeschützten Gebäudes in der Karlsruher Innenstadt, dessen Bedeutung von Außen leicht zu übersehen ist.

Geld stinkt nicht, heißt es – aber es kann richtig warm werden. Jedenfalls dann, wenn es beispielsweise als Zwei-Euro-Münze gerade aus einer Prägepresse geschossen kommt und in einem Bottich landet. „Etwa 40 Grad hat die Münze dann“, sagt Klaus Kaiser, Produktionsleiter in der Staatlichen Münze Karlsruhe. Zuvor sind die Prägestempel der Presse mit einer Kraft von etwa 100 Tonnen auf die Münze gesaust. Im darunter liegenden Keller sind eigens mit Beton gefüllte Deckenstelzen aus Metall eingebracht, sonst würde sich die Presse aufgrund der Vibration langsam, aber beständig von der Stelle bewegen. In dem Bottich gesellt sich die neue Prägung zu hunderten weiteren Zwei-Euro-Münzen. „Greifen Sie ruhig hinein“, fordert Kaiser auf. Ein bisschen stellt sich ein Dagobert-Duck-Gefühl ein und es ist tatsächlich wohlig warm. „Im Winter können Sie dar- in Ihre kalten Finger wärmen“, scherzt Kaiser und beendet sogleich den Vergleich des Besuchers mit einer in Geld badenden Walt-Disney-Ente: „Alle diese Münzen sind während ihrer gesamten Lebensdauer im Besitz der Bundesrepublik Deutschland. Keine darf ungenehmigt dieses Gebäude verlassen und einige davon werden irgendwann wieder bei uns landen, um mit einer Walze ungültig gemacht zu werden.“ Die Münze Karlsruhe ist die kleinste von fünf Münzprägestätten in Deutschland. Zusammen mit der zweiten baden-württembergischen Prägestätte in Stuttgart bildet sie seit 1998 die Staatlichen Münzen Baden-Württemberg. Bis zu einer Milliarde Münzen können beide im Jahr fertigen. Das Produktionsvolumen der Karlsruher Münze deckt etwa 14 Prozent der deutschen Umlaufmünzen ab, insgesamt stellt der Landesbetrieb mit seinen 80 Mitarbeitern rund 40 Prozent des deutschen Münzbedarfs her, auch Sammler- und Gedenkmünzen sowie Medaillen.

Die Münzen werden in Bottichen gesammelt.

Dabei kommt nicht nur rabiate Presskraft zum Einsatz, sondern auch feine künstlerische Handarbeit, etwa wenn die Spezialisten für eine aktuelle 100-Euro-Gedenkmünze das Abbild der Regensburger Altstadt auf einen kaum handtellergroßen Münzumfang aus Gold bannen. Längst nicht nur Deutschland haben die „Geldmacher“ im Blick, sondern im Grunde die ganze Welt. „Rote Zahlen darf es nicht geben, sonst würden wir vom Staat zu- gemacht“, betont Münzleiter Peter Huber. Rund um den Globus gibt es lediglich 48 Münzprägeanstalten, die in einem, wie Huber ausführt, komplexen und intensiven internationalen Wettbewerb stehen. „Wir sind sicher nicht die preisgünstigsten, doch wir bieten Qualität Made in Germany nicht nur beim Prägen, sondern auch mit Faktoren wie Liefertreue und dem Beherrschen unterschiedlicher Verpackungsarten“, betont er.

In den letzten Jahren hat die Karlsruher Münze Hartgeld unter anderem auch für Lettland und Bolivien geprägt. Ihre Qualität haben die Staatlichen Münzen Baden-Württemberg insbesondere durch die Beteiligung an einer spektakulären Neuentwicklung unter Beweis gestellt: der weltweit ersten Münze mit Polymerring. Der Kunststoff enthält Sicherheitsmerkmale gegen Fälschungen. Mehrere Jahre forschten Münzexperten und Wissenschaftler an einem geeigneten Kunststoff, der sich hitze- und kältebeständig in eine Münze integrieren lässt. Gegenwärtig kommt der Polymerring erstmals bei der neuen Fünf-Euro-Sammlermünze „Planet Erde“ zum Einsatz. „Diese Sammlermünze könnte für eine neue Epoche der Münzherstellung stehen“, sagt Huber.

Münzen wurden erstmals im 6. Jahrhundert vor Christus von der Kultur der Lydier im Westen der heutigen Türkei geprägt. Auch Karls- ruhe blickt auf eine lange Tradition zurück: „Bereits 1362 erhielt Baden-Durlach das Münzrecht“, sagt Huber. „Zwölf Jahre vor Stuttgart.“ Und schon seit 1827 ist die Münzprägestätte am gleichen Platz in der Karlsruher Innenstadt zu finden. Das vom bekannten klassizistischen Architekten Friedrich Weinbrenner geplante Gebäude ist denkmalgeschützt und könnte von außen auch als Villa oder Repräsentationsbau durchgehen. Über der imposanten Tür rankt der goldene Schriftzug „Münzstätte“. Viele Passanten werden das vielleicht eher als historischen Hinweis auffassen, doch dem ist nicht so. Im Innern ist das Gebäude ein alarmgesicherter und kameraüberwachter Hochsicherheitstrakt. Natürlich gibt es im Keller auch einen riesigen Tresor, in dem das geprägte Geld lagert, ehe es zur Zentralbank geschickt wird.

Diebe haben von vornherein schlechte Karten, die verpackten Kartons ruhen hinter dicken Mauern und die Alarmsensoren sind so sensibel, dass sie schon von Spinnen ausgelöst werden können. Es macht allerdings auch wenig Sinn, Münzgeld zu stehlen. Bereits geringe Werte führen zu einem Gewicht, das den Abtransport quasi unmöglich macht. „Wir verstehen uns als Manufaktur, die in der Hightechwelt angekommen ist“, erläutert Huber. Die Münzprägung folgt seit langer Zeit eingespielten Abläufen. Sind die Motive von Münzdesignern entworfen und von den auftraggebenden Gremien festgelegt, kann es für die Staatlichen Münzen losgehen. Ein Graveur erarbeitet zunächst ein Modellabbild, das in etlichen weiteren Schritten verkleinert und auf ein ungehärtetes Stahlstück übertragen wird. Am Ende der Vorarbeiten steht der fertige Prägestempel aus gehärtetem Stahl. Schriften und Motiv sind darauf spiegelverkehrt, damit sie auf der Münze richtig erscheinen.
Im Blick haben die Geldmacher nicht nur Deutschland.

Neben der Herstellung von Prägewerkzeugen gehören beispielsweise noch Randbeschriften, Stanzen, Fügen und Verpacken zu den Prozessschritten der Münzenpräger, die sich unter anderem aus Blechnern, Werkzeugmachern und Industriemechanikern zusammensetzen. Ihre schnellste Prägemaschine kann 750 Münzen pro Minute ausspucken. Bei diesem Tempo könnten Fehler leicht zu viel Ausschuss führen. Die Meisterschaft der Mitarbeiter besteht daher auch darin, schnellstens zu erkennen, wenn etwas schiefläuft. „Zum Beispiel bekommen die Münzen manchmal einen Blauschimmer, dann muss eventuell der Prägestempel ausgetauscht werden“, erklärt Klaus Kaiser. Doch hat dieses Handwerk im Zeitalter von Kreditkarten, Paypal und Co überhaupt noch eine Zukunft?

Sicher, für Sammler- und Gedenkmünzen gibt es einen äußerst stabilen Markt. Allein in Deutschland soll es mehr als sieben Millionen Menschen geben, die Münzen sammeln. Doch wie sieht es mit den Umlaufmünzen aus? Gerade in jungster Zeit machten Vorschläge zur Abschaffung von Bargeld die Runde. Peter Huber hält das für einen Sturm im Wasserglas: „Die Deutschen aller Altersgruppen mögen Bares", sagt er. „Mehr als 75 Prozent aller Transaktionen finden hierzulande immer noch in Cash statt. In anderen EU-Ländern sind es zwischen 50 und 60 Prozent. Singapur wollte das Bargeld tatsächlich mal abschaffen, dann kam der Tsunami 2004, durch den der elektronische Zahlungsverkehr in weiten Teilen Asiens zusammenbrach. Auch in Singapur können Sie immer noch bar bezahlen.“

Christoph Ertz