KSC Relegation

"Wir wollen in die Bundesliga"

von Christoph Ertz

REPORT traf Jens Todt, Sportdirektor des Karlsruher SC. Im Gespräch äußert er sich über die wirtschaftliche Lage und die Ambitionen des KSC sowie dessen Verankerung in Stadt und Region. Zudem erklärt Todt das Handlungsprinzip des Karlsruher Traditionsvereins: Aus wenig viel machen.

Wildparkstadion, 25. Mai 2015, 90. Minute im Relegationsspiel des Karlsruher SC gegen den HSV – es ist die Szene, die kein KSC-Fan je vergessen wird: Nach einer mehr als fragwürdigen Entscheidung von Schiedsrichter Manuel Gräfe hebt der Chilene Marcelo Diaz den Ball für den Hamburger Bundesliga-Dino zum Ausgleich ins Netz. „Schon beim Pfiff hatten wir auf der Bank ein mulmiges Gefühl“, blickt Jens Todt, Sportdirektor des KSC, noch einmal zurück. „In einem Spiel Bayern gegen Dortmund würde es einen solchen Freistoß zu diesem Zeitpunkt niemals geben.“ Auf der Liste der bittersten Momente seiner Karriere siedelt Todt den Ausgleich und die anschließend verlorene Relegation ganz oben an – zumal der Aufstieg mit Mehreinnahmen unter anderem aus höheren Fernsehgeldern von rund 20 Millionen Euro für den KSC verbunden gewesen wäre.

"Wir wollen in die Bundesliga"

„Doch das ist eben Sport“, sagt Todt verblüffend gelassen. Eigentlich sei die Geschichte schon am Tag darauf abgehakt gewesen. „Wir verschwinden nicht im Jammertal.“ Und dafür besteht ja auch kein Grund, schließlich befindet sich der KSC nach schwierigen Jahren eindeutig wieder auf einem guten Weg. „Unser Ziel ist klar: Wir wollen in die Bundesliga“, sagt Todt – und schiebt sogleich hinterher: „Wir sind sicher stabiler als vor vier Jahren, aber der KSC ist weiterhin ein zerbrechliches zartes Pflänzchen, bei dem man aufpassen muss.“ Zum Zeitpunkt des Treffens ist er noch mitten dabei, dem zarten Pflänzchen neue Nährstoffe zuzuführen. Die Saison-vorbereitung hat gerade begonnen.

„Wenn es was Neues gibt, melde ich mich“

Für Todt eine stressige Zeit: Transfers müssen abgewickelt, neue Spieler an Land gezogen werden. Es ist aber auch die Zeit, die der Sportdirektor besonders reizvoll findet: „Das Entwickeln und Zusammenstellen einer Mannschaft macht mir am meisten Spaß. Und dieses Puzzle ist ja nie fertig.“ Für das Gespräch hat Todt ein Café am geradezu mediterranen Karlsruher Gutenbergplatz ausgewählt. Die Plätze im Freien der zahlreichen Cafés und Restaurants sind bei angenehmen Temperaturen bereits am frühen Abend gut belegt, auch zahlreiche Passanten sind unterwegs. Viele scheinen Todt zu erkennen, schauen meist kurz zu ihm hin, gehen aber vorbei. Nur ein älterer Herr spricht ihn an: „Ich wünsche Ihnen ein gutes Händchen bei den Transfers.“ Völlig unerwartet schält sich zudem aus dem Licht der Abendsonne plötzlich die Gestalt einer weiteren eng mit dem Aufschwung des KSC verbundenen Person: Trainer Markus Kauczinski: „Ich kaufe beim Metzger hier gerne Wurst ein und um die Ecke geh ich immer zum Bäcker, der ist super“, erklärt er und ist nach kurzem Smalltalk schon wieder weg. „Wenn es was Neues gibt, melde ich mich“, ruft Todt noch hinterher – natürlich ohne zu verraten, um was es dabei geht.

Keine teuren Spielertransfers

Bei ihren Entscheidungen müssen die Verantwortlichen des Zweit-ligisten ein besonderes Geschick an den Tag legen. Rund sechs Millionen Euro Verbindlichkeiten schränken die Handlungs-möglichkeiten ein. In aller Regel kann der KSC kein Geld für Spielertransfers ausgeben, sondern muss auf ablösefreie Neuzugänge und Nachwuchsleute setzen. „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir zweimal hintereinander so weit vorne in der Tabelle gelandet sind. Mit einem Umsatz von rund 20 Millionen und einem Etat von acht Millionen für die Lizenzspieler liegen wir im Mittelfeld der zweiten Liga.“ Zum Vergleich: Bayern München hat mittlerweile einen Umsatz von weit mehr als 500 Millionen Euro – ein ganzes Fußballuniversum liegt dazwischen.

"Wir sind gewohnt, aus wenig viel zu machen"

„Wir lassen uns davon aber nicht den Spaß verderben“, betont Todt und erläutert: „Wenn wir beispielsweise für eine bestimmte Position einen Spieler finden, der nicht ganz unsere Kriterien erfüllt, aber uns richtig hilfreich erscheint, dann stellen wir eben unser Spiel um.“ Bis auf weiteres sieht er den Karlsruher Traditionsclub als Aus- und Weiterbildungsverein. Wichtig sei, sich realistisch einzuordnen und sich auf das zu beschränken, was man im Griff behalten könne: „Beispielsweise Scouting in der Balkanregion ist bei unserer vorhandenen Manpower nicht drin, doch wir sind gewohnt, aus wenig viel zu machen. Was wir als Infrastruktur nicht haben, versuchen wir mit Herzblut wettzumachen. In unserer Mangelwirtschaft sind wir richtig professionell.“ Bei aller Professionalität der Macher des KSC würde es den Verein aber ohne einen weiteren Faktor zumindest im Profifußball womöglich gar nicht mehr geben: nämlich der Verbundenheit vieler Menschen in Stadt und Region. Die zeigte sich besonders nach dem Absturz in die dritte Liga 2012: „Ich war damals ja noch nicht da, aber der Verein stand am Abgrund. Wenn wir nicht aufgestiegen wären, weiß ich nicht, was passiert wäre“, sagt Todt. „Mir wurde erzählt, dass es damals eine Riesenwelle der Solidarität in der Stadt und der Region gab.“ Auch bei den hunderten von Firmen, die Business-Partner des KSC sind und zu 90 Prozent aus der Region stammen. „Beispielsweise unser Hauptsponsor Klaiber Markisen stand zu uns, als wir am Boden lagen. Alles zusammen zeigt, welch große Verankerung der Verein hat.“

 Nicht nur für Enrico Valentini war die Relegation zum Haareraufen – aber längst ist der KSC wieder auf die Zukunft ausgerichtet, so etwa auf die Realisierung des neuen Wildparkstadions.

Wildpark ist nicht mehr zeitgemäß
Für die nähere Zukunft wünscht sich Todt einen Zuschauerschnitt von mehr als 20.000 in der zweiten Liga und sieht die Realisierung
des ab 2017 geplanten Neubaus des Wildparkstadions als den Schlüssel für noch bessere Zeiten an. „Der jetzige Wildpark ist charmant, aber nicht mehr zeitgemäß und auch nicht wettbewerbsfähig. Es gehört schon viel Liebe zum Fußball dazu, sich im November bei Dauerregen in die Kurve zu setzen“, erklärt Todt, der sehr gerne langfristig in Karlsruhe arbeiten will. „Wenn das neue Stadion steht, sind wir erheblich konkurrenzfähiger.“ Die Vermarktungsmöglichkeiten wären ungleich besser, der Zuschauerschnitt würde automatisch steigen. „Bis dahin müssen wir durchhalten – aber wir versuchen auch, weiter positiv zu überraschen.“

 

Jens Todt

geboren am 1970 in Hameln, spielte in seiner aktiven Karriere bis 2003 unter anderem für den SC Freiburg, Werder Bremen und den VfB Stuttgart. Nach seiner sportlichen Laufbahn arbeitete der dreifache Familienvater unter anderem als Journalist beim Spiegel, Leiter des Nachwuchsleistungszentrums beim VfL Wolfsburg und als Manager für den VfL Bochum. Seit Juni 2013 ist er Sportdirektor des Karlsruher SC.
 

Markus Kauczinski

geboren 1970 in Gelsenkirchen, ist bereits seit 2001 beim KSC tätig, zunächst über viele Jahre als Jugendtrainer. Im März 2012 schloss er unter anderem mit Stefan Effenberg und Mehmet Scholl den DFB-Lehrgang zur Trainerlizenz ab und wurde wenige Tage später Chefcoach. Er führte den KSC aus der dritten in die zweite Fußball-Bundesliga und dort in den beiden letzten Saisons auf die Plätze fünf und drei.

Weitere Informationen: www.ksc.de