Geduld, Geschick und gutes Gehör

Portrait über die Cembalobauerin Susanne Merzdorf

von Ute Bauermeister

Cembalobauerin Susanne Merzdorf exportiert bis Japan | Sie baut, restauriert und verleiht Cembali, Clavichorde und Spinette |
Die Remchinger Firma beliefert unter anderem die Händelfestspiele in Karlsruhe

Mit dem Skalpell werden die Kiele auf den Millimeter genau beschnitten, damit sie die richtige Lautstärke haben. Denn beim Cembalo werden die Saiten mit Kielen angezupft. Das Intonieren erfordert Feingefühl. „Man braucht vor allem Geduld, handwerkliches Geschick und ein gutes musikalisches Gehör“, erklärt Cembalobauerin Susanne Merzdorf. 2011 hat sie den Familienbetrieb ihres Vaters übernommen und führt seither sorgfältig die Geschicke des Unternehmens in Remchingen. Ihre Liebe für die historischen Instrumente, die sie baut, klingt in jedem Satz mit.

 Handarbeit mit einheimischen Hölzern.

Weich, vielschichtig und schmeichelnd
Merzdorf spielt seit ihrem zwölften Lebensjahr selbst Cembalo und Schlagzeug. Zuerst wollte sie Musikerin werden, hat dann aber doch lieber eine Ausbildung im elterlichen Unternehmen absolviert. 1997 legte Susanne Merzdorf ihre Meisterprüfung ab. „Mein Meisterstück habe ich gerade nach Budapest ausgeliehen“, sagt die 46-Jährige. Der Klang eines Cembalos ist weich, vielschichtig und schmeichelnd. Die Resonanz und die Klangfarbe sowie das vibrierende Volumen eines Cembalo, eines Spinetts oder eines Klavichordes bezaubern noch, lange nachdem die Blütezeit der Barockinstrumente verstrichen ist. Händel und Bach haben für Cembali komponiert. Heute ist dieses Tasteninstrument noch in Museen, Theatern, Musikschulen, Musikhochschulen oder bei Liebhabern zu finden. „Wir orientieren uns an historischen Vorbildern.

Das Holz für das Cembalo wird nach dem Mondkalender gefällt

Ich war im Musikinstrumentenmuseum in Berlin und habe das Original ausgemessen, das wir dann für die Händel-Festspiele in Karlsruhe nachgebaut haben“, erzählt die zweifache Mutter. Je nach Bauweise wiegt das gute Stück zwischen 30 und 85 Kilogramm. Jedes Cembalo ist aus bestem Holz gefertigt. „Wir verwenden hauptsächlich einheimische Hölzer, die teils nach dem Mondkalender gefällt werden, damit sie besonders haltbar und wenig anfällig für Schädlinge sind“, sagt Merzdorf. In ihrer Werkstatt gibt es einige Maschinen. „So ein Cembalo oder Spinett entsteht in Handarbeit, aber manche Säge- oder Schleifmaschinen sind doch sehr nützlich“, erläutert sie.

 Die Tastenbelege sind aus Pflaumenholz und die schwarzen Obertasten aus Mooreiche.

Exporte nach Japan
Etwa vier neue Cembali baut Merzdorf gemeinsam mit ihrem Vater und dem Cousin, der ab und zu hilft, und ihrer Auszubildenden pro Jahr. Sie exportiert bis Japan. Zwischen zwei und fünf Monaten dauert es, bis das Instrument fertig ist. Viele Pianisten oder Organisten schwören nach wie vor auf Cembali oder intim klingende Clavichorde, die sie auch baut. An dem einmanualigen Cembalo aus geöltem Kirschbaumholz wird die Kunstfertigkeit dieses filigranen Metiers sichtbar. Die Tastenbelege sind aus Pflaumenholz und die schwarzen Obertasten aus Mooreiche. In einem kleinen Geheimfach liegt der Stimmschlüssel. Ein Cembalobauer muss handfest zupacken, aber auch feine Holzverstrebungen und Verzahnungen manuell meistern, um die Ecken stabil miteinander zu verbinden. Das Cembalo muss transportiert werden können, darf jedoch nicht zu fest sein, 

da das Gehäuse schwingen soll. Eine knifflige Aufgabe. „Wir verleihen häufig Cembali oder Spinette und die stimmen wir dann vor Ort. Zum Beispiel werden die Karlsruher Händelfestspiele im Badischen Staatstheater von uns bestückt und ich stimme die Instrumente vor allen Proben und Aufführungen“, berichtet die Expertin. Auch bei dem bundesweiten Wettbewerb „Jugend musiziert“ kommen Cembali zum Einsatz, als Begleitung der Blockflöten, denn ein Klavier wäre zu laut und würde die Harmonie stören. In ihrer Werkstatt steht gerade ein wunderschön verziertes Cembalo mit zwei Manualen (Tastaturen), die auch beide gleichzeitig angerissen werden können.

   

Reparaturen gehören zum Geschäft

183 Saiten muss Merzdorf bei so einem Cembalo stimmen, das dauert bis zu einer Stunde. Die Unterböden und Innendecken sind bemalt, Luftlöcher werden mit Rosetten verschönert. Jedes Detail ist liebevoll verarbeitet. Die Außenwände sind teils mit Blattgold belegt. „Das braucht Erfahrung. Wenn man das Blattgold zu früh anlegt, dann bleibt es vom Anlegeöl klebrig, ist man zu spät, hält es nicht mehr“, weiß Merzdorf. Reparaturen und Restaurationen gehören zum täglichen Geschäft. An ihrer Arbeit gefällt ihr die Vielfalt, das Handwerk und der Umgang mit Musik. Egal, ob sie den neuen Bogen in drei Schichten verleimt oder das von ihrem Großvater gebaute Instrument restauriert, die Frau ist konzentriert bei der Sache und baut jedes Unikat so, dass es den optimalen Klang erzeugt.

   

www.merzdorf.de