Feuer und Flamme

Der Waffenmeister im Badisches Staatstheater, Michael Paolone sorgt für tolle Effekte mit Waffen und Feuer

Das drei Kilo schwere Stahlschwert kann der Solist gerade noch halten, ohne mit der Wimper zu zucken. Häufig wird deshalb jedoch ein leichteres Material für die Bühnenwaffen verwendet. Ob Rüstungen, Helme, Bajonette oder Samuraischwerter, im Keller des Badischen Staatstheaters Karlsruhe lagern unheimlich viele Waffen und zu fast jeder hat Waffenmeister Michael Paolone eine tolle Geschichte parat. „Die meisten Waffen sind stumpf, das wäre sonst zu gefährlich“, verrät der Herr über all diese Schätze. Der Waffenmeister braucht handwerkliches Geschick, um die Schwerter selbst herzustellen, denen bei einem Hieb die Spitze abfällt. Seine Erfahrungen als Werkzeugmacher kann er dabei gut anwenden, einmal hat er sogar ein großes Maschinengewehr für eine Händeloper nachgebaut.

Das erste Blutmesser

Manchmal bereiten ihm die Wünsche der Regisseure Kopfzerbrechen. Doch der Tüftler gibt nie auf und findet immer eine Lösung. 1963 in Forbach geboren, hat Paolone als Industriemechaniker in der Autoindustrie angefangen zu arbeiten. Danach war er über sieben Jahre als Werkzeugmacher in einem Kabelwerk tätig, bevor er 1996 ans Badische Staatstheater wechselte. Waffen waren für ihn damals Neuland, doch seine Berufserfahrungen und die praktischen Kenntnisse kamen ihm zugute. „Das erste Blutmesser habe ich immer noch im Schrank und es funktioniert einwandfrei“, erzählt Paolone. Genau den Bedürfnissen der Inszenierung angepasst, hat er damals ein kleines Messer entworfen, in das er einen schmalen Hohlraum gefräst und so geschickt wieder verschweißt hat, dass er kaum zu sehen ist. In der Apotheke fand er ein Fläschchen, das er mit Theaterblut füllte und es als Griff in das Messer integrierte.

In seiner Werkstatt im technischen Bereich des Theaters kennt er sich bestens aus. Flink holt er aus den gut verschlossenen Schränken eine Platzpatronenwaffe. Die kleine, handliche Pistole ist nicht ungefährlich. „Auch Platzpatronen können viel Schaden verursachen. Man darf den Gasstrahl einer Neun-Millimeter-Waffe nicht unterschätzen, der würde bereits einen dünnen Schädelknochen durchschießen“, erklärt der Experte. Zu seinen Aufgaben gehört daher auch das Einweisen der Schauspieler, Sänger und Statisten in den Gebrauch der Waffen, deren Nutzung in Deutschland ja verboten ist, mit Ausnahme eben für Film, Fernsehen und Theater, unter strengen Auflagen versteht sich. „Der Sicherheitsabstand muss immer eingehalten werden. Keiner darf direkt auf den anderen zielen, immer am Körper vorbei und nie auf Augenhöhe“, erläutert Paolone.

Paolone wacht mit Adleraugen über das Feuer auf der Bühne

Nicht nur Waffen gehören zu seinem Metier. Er kümmert sich auch um alles mit Feuer. „Mir gefällt vor allem die Vielfalt an meinem Beruf. Kein Tag gleicht dem anderen, immer neue Herausforderungen und Aufgaben gilt es zu lösen.“ Ob Feuerfontäne, ein brennendes Cello oder Kanonenfeuer, Paolone weiß genau, was wie brennt. In einer Inszenierung der russischen Oper „Boris Godunow“ sollen beispielsweise fünf Mönche brennen. Keine leichte Aufgabe. Für jeden einzelnen gibt es eine Brandwache, das Feuer darf nie unbeobachtet sein. Der Waffenmeister entwirft und konstruiert tagsüber in der Werkstatt die Figuren mit Brandschalen, lötet und schweißt. Abends sitzt er hinter der Bühne und entzündet eigenhändig die Flamme und bewacht mit Adleraugen deren Höhe und Brenndauer. Ein Dinosaurier, der Feuer spukt, ein brennender Aktenkoffer, alles wird vorher zigfach getestet und geübt, mal auf der Rampe, mal auf der Bühne. Kenntnisse in Elektronik sind von Vorteil, denn alles wird elektronisch gezündet. In einer Dose verwahrt er Blitzwatte, die sich bei 180 Grad selbst entzündet und daher in größeren Mengen nur nass gelagert wird. Geschickt tupft er das Stück vor eine Zündschnur und demonstriert, wie alles nach einem Feuerzeugfunken in null Komma nichts aufflammt und sich danach vollständig auflöst.

Hin und wieder kommt sogar Sprengstoff zum Einsatz. „Mit einer minimalen Menge können Sie eine Melone in die Luft jagen. Das haben wir einmal auf Wunsch gemacht, allerdings sind die Stücke bis in den Orchestergraben geflogen. Das Vorhaben musste die Regie schnell wieder aufgeben“, erinnert sich Paolone, der in fast 20 Arbeitsjahren am Staatstheater viele kuriose und spannende Geschichten erlebt hat und seinen Beruf nach wie vor mit Akribie und Freude ausführt. Gerade müssen die Blechwannen für die brennenden Mönche fertig werden. Das Publikum nimmt diese sorgsam geplanten und liebevoll ausgetüftelten Effekte meist nur beiläufig wahr. Doch Paolone will gar nicht im Rampenlicht stehen. Er freut sich, dass ihm in der Werkstatt immer eine passende Lösung einfällt.

Fotos: Peter Sandbiller, Badisches Staatstheater Karlsruhe