Die neuen Weinfrauen

Natalie Lumpp

Im Weinbereich haben wir heute eine ganz neue Generation von Frauen. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass es vor 20 Jahren in Deutschland zwei Sommelieren gab. Heute zählen wir in der deutschen Sommelierunion rund 50 Prozent Frauen. Oder denken Sie an die Winzer – früher stellte man sich unter einem Winzer einen wettergegerbten Landwirt mit schmutz- verkrusteten Gummistiefeln vor. Heute hingegen treffen Sie auf den Weingütern auf junge gut aussehende Winzerinnen, die teil- weise auch als Model arbeiten könnten. Diese jungen Frauen (etwa ab dem Jahrgang 1979) machen ihren Abschluss als di- plomierte Ingenieurin für Weinbau und Önologie und sie über- nehmen alteingesessene Familienweingüter. Im Keller agieren sie mit großer Selbstverständlichkeit, sie kümmern sich um den Ausbau der Weine und fahren auch mit dem Schlepper durch die Reben. Früher war eher der Standard: Die Frau hält dem Mann den Rücken frei hat, indem sie sich um die Kinder, den Verkauf und die Buchhaltung kümmert. Das ist auch in einigen Weingütern bis heute noch so, aber eher so, dass die Frau als gleichberechtigter Partner gesehen wird.

Starke Winzerinnen im Ländle

In Oberkirch führt das Familienweingut die 32-jährige bildhübsche Monika Bähr. Ursprünglich hatte sie Erzieherin gelernt und auch drei Jahre in ihrem Beruf gearbeitet. Mit passendem Alter (für sehr junge Menschen ist der Wein ja eher ein sehr weit entferntes Thema) entdeckte sie dann den Wein für sich. Sie lernte Winzerin, wurde badische Weinkönigin und studierte anschließend in Freiburg „Wirtschafter für Weinbau und Önologie“ und der Winzermeistertitel folgte. Im Weingut sieht sie sich als „Mädchen für alles“. Sie kümmert sich um den Ausbau der Weine, macht die Maschinenarbeiten selber und brennt dann auch noch Schnaps.

Ebenfalls über Umwege kam Nanna Eißler zum Wein. Die gebürtige Berlinerin studierte Jüdische Studien und Politik in Heidelberg und war unter anderem neun Monate in Israel unterwegs. In Heidelberg lernte sie ihren Mann Ulrich kennen, der 1999 das elterliche Weingut Steinbachhof in Vaihingen an der Enz übernommen hatte. Nanna sattelte komplett um und lernte Winzerin, um ihrem Mann auch die richtige Unterstützung bieten zu können. Wenn es vielleicht am Anfang der Liebe wegen war, heute kann sie sich einen anderen Weg gar nicht mehr vorstellen. Mittlerweile haben sie drei Kinder, bauen gerade ihr Weingut weiter aus und feiern mit jedem Jahr größere Erfolge. Mit 7,3 Hektar Rebfläche gehört der schon 1178 gegründete Steinbachhof zu den eher kleineren Weingütern. Nanna und Ulrich Eißler haben auch eine ganz eigene Weinphilosophie. Alle Weine werden spontan vergoren und nur so wenig wie irgend möglich behandelt. Heraus kommen sehr ausdrucksstarke und charaktervolle Weine.

Eine ganz außergewöhnliche Weingeschichte kann auch Marie Gräfin von Degenfeld-Schonburg erzählen. Die Familie der Gräfin stammt aus der berühmten ungarischen Weinregion Tokaj-Hegyalja, welche neben ihren Weinen auch als Weltkulturerbe berühmt ist.

Nach den Weltkriegen wurden auch die Grafen von Degenfeld enteignet. 1993 wurden im Rahmen eines Entschädigungsprogramms Coupons für Auktionen ausgegeben, damit Eigentum wieder zurück erworben werden konnte. Thomas Lindner, ihr Ehemann, fuhr mit dem Schwiegervater zur Auktion, und sie kamen mit rund 60 Hektar erstklassigen Rebflächen zurück! Seither pendelt die Familie regelmäßig zwischen dem schwäbischen Wohnsitz und Ungarn hin und her. Sie haben ein großartiges Weingut aufgebaut. Zudem haben sie sich in kurzer Zeit so in den Wein eingearbeitet, wie kaum ein anderer! So steht die Gräfin persönlich auf der geschätzten Weinmesse Prowein, und Sie schenkt vorsichtig den goldgelb leuchtenden Tokajer mit seinem unglaublich betörenden Duft ins Glas...

Quelle: YouTube

Weitere Informationen: www.natalie-lumpp.de


Foto: Klaus Henning-Damasko