Handwerk mit hohem Stellenwert

Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup im REPORT-Interview.

Was erwarten Sie von den 300-Jahr-Feiern Karlsruhes 2015?

Mentrup: Der Stadtgeburtstag 2015 ist ein Fest für Bürgerinnen und Bürger, bei dem Bürgerbeteiligung groß geschrieben wird. Der Festivalsommer bietet 15 Wochen lang ein prall gefülltes Programm, und das Besondere ist: Die Menschen in der Stadt, die Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen, Künstler und Kreative Vereine und Gruppen steuern wesentliche Programmpunkte dazu selbst bei. Dieses Mitmachen, dieses Miteinander wird ein neues Wir-Gefühl erzeugen, davon bin ich fest überzeugt. Gleichzeitig wollen wir die Chance nutzen, mit den großen Kunst- und Kultureinrichtungen, die weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus bekannt sind, Gäste nach Karlsruhe zu bringen.

Wie sehen Sie die Bedeutung des Handwerks für Karlsruhe? Heute und in der Geschichte.

Mentrup: Das Handwerk hat in Karlsruhe seit eh und je einen ganz besonderen Stellenwert. Bereits im Jahr der Stadtgründung 1715 erließ Markgraf Karl Wilhelm den Privilegienbrief, in dem gerade auch Handwerkern und Gewerbetreibenden für damalige Zeiten beispiellose Freiheiten eingeräumt wurden. Neben Religionsfreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz gehörten dazu Steuer-, Abgaben- und Umsatzsteuerfreiheit, Befreiung von Leibeigenschaft und Dienstverpflichtungen sowie freie Handwerkerwahl. Damit legte der Markgraf den Grundstein für den starken Wirtschaftsstandort Karlsruhe, geprägt von einer liberalen, toleranten Stadtkultur, die bis heute lebendig ist und in der das Handwerk eine wichtige Rolle einnimmt. Das wird auch im Jahr des 300. Stadtgeburtstags deutlich: Unter dem Motto „Wir bauen die Stadt“ zeigen die Handwerkswelten die Bedeutung des Handwerks für unsere Stadt.

Kann eine Kommune wie Karlsruhe heute noch gezielt Handwerksbetriebe fördern und stärken?

Mentrup: Eindeutig: Ja! Zum einen legt die Stadt einen besonderen Fokus auf die Förderung von Existenzgründungen. Gerade jungen Handwerksmeistern und -meisterinnen sowie handwerklichen Betrieben in der Gründungsphase bietet Karlsruhe beispielsweise im Handwerkerhof günstige Startbedingungen. Zudem steht in der Gründungsphase die bei der Wirtschaftsförderung Karlsruhe angesiedelte Kontaktstelle den Jungunternehmerinnen und -unternehmern zur Seite. Etablierten Betrieben hilft die Wirtschaftsförderung beim Verkauf und der Vermittlung von gewerblich nutzbaren Grundstücken, aber auch bei Fragen zu Finanzierung oder Unternehmensnachfolge. Auch auf diese Weise ist für Bestand und Wachstum im Handwerk gesorgt. Hinzu kommt, dass die Stadt Karlsruhe mit ihren Tochtergesellschaften selbst größte Auftraggeberin für handwerkliche Leistungen ist.

Gibt es umgekehrt etwas, dass Sie vom Handwerk für die Stadt und ihre Bürger erwarten?

Mentrup: Handwerk begegnet den Bürgerinnen und Bürgern Tag für Tag und in ganz unterschiedlichen Lebenszusammenhängen – ob beim Hausbau, ob beim Friseur oder Optiker oder auch in der täglichen Versorgung beim Metzger und Bäcker. Bei allen Unterschieden ist eines wohl identisch: Die Erwartung einer kompetenten und fairen Dienstleistung im Zeichen des „ehrbaren Handwerks“. Damit dies so bleibt, muss das Handwerk weiter in die Fachkräftesicherung investieren. Für mich ist darüber hinaus auch die gesellschaftliche Verantwortung des Handwerks wichtig. Ich schätze es sehr, wenn Betriebe ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gute und familienfreundliche Arbeitsbedingungen bieten und bereit sind, sich auch sozial zu engagieren.

Sind Sie eigentlich selber handwerklich fit und zu Hause aktiv?

Mentrup: Unsere Familie ist vor wenigen Monaten umgezogen, in einen stilvollen Altbau. Und wie das mit steinernen Zeitzeugen so ist: Es gibt viel zu tun – fast immer mehr, als man vermutet hatte. Wann immer ich Zeit finde, lege ich mit Freude auch selbst Hand an bei an- stehenden Arbeiten – wobei ich die Grenzen meiner handwerklichen Fähigkeiten nicht überschreite. Die Facharbeiten überlasse ich den Handwerkern. Die können das.

Haben Sie eine Vision, wie Karlsruhe einmal in vielen Jahren sein soll – vielleicht zur Mitte des Jahrhunderts?

Mentrup: Das Spannende an Karlsruhe ist der Wandel, die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden. Die Basis dafür bilden die vielfältigen Stärken dieser Stadt. Hier streben die gesellschaftlichen Gruppen nach einem funktionierenden Miteinander. Ich sehe mich dabei als Moderator, der gestalten kann, weil er zuhört und verbindet. Und gestalten möchte ich eine Wirtschaftsstadt, in der soziale und ökologische Belange eine große Rolle spielen; eine grüne Stadt, in der die Verantwortung für die kommenden Generationen selbstverständlich ist; eine Kulturstadt, die allen gesellschaftlichen Gruppen die Teilhabe daran ermöglicht; und schließlich eine Wissenschaftsstadt, die ihre renommierten Lehr- und Forschungseinrichtungen weiter voranbringt und gleichzeitig nicht aus dem Auge verliert, dass die Grundlagen für Kreativität und Innovation mit der Bildungsarbeit in frühester Jugend gelegt werden.

Was ist für Sie persönlich das Schönste an Karlsruhe?

Mentrup: Karlsruhe ist eine attraktive Großstadt mit menschlicher Dimension. Das Angebot hier übersteigt das in anderen Städten vergleichbarer Größenordnung in den meisten Bereichen bei weitem. Vom Volkstheater bis zum Museum von Weltgeltung, von Plätzen im Quartier bis zu ausgedehnten Grünflächen mitten in der City – hier gibt es Lebensqualität pur. Hinzu kommen zukunftsfeste Arbeitsplätze, flächendeckende Betreuungsangebote und eine Verkehrsinfrastruktur, die sich in einer entscheidenden Entwicklungsphase befindet. Es ist aber diese besondere Atmosphäre, die unsere Stadt auszeichnet. Hier paart sich kreativer Schöpfergeist und Lust auf Neues mit der sprichwörtlichen badischen Liberalität und Gelassenheit. Genau diese Mischung ist für mich das Schönste an unserer Stadt.

Das Interview führte Christoph Ertz

Zu hochoffiziellen Anlässen trägt Oberbürgermeister Frank Mentrup eine Amtskette. Sie besteht aus 14-karätigem Gold und ist ein Geschenk der Handwerkskammer Karlsruhe. Sie wurde 1965 zum 250-jährigen Stadtjubiläum an die Stadt überreicht.

Fotos: Stadt Karlsruhe