Eine Stadt, die Zukunft schafft

Spektakuläre Innovationen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) | Blick hinter die Kulissen | Reise in die Zukunft

Von Bernadette Winter

Von zentraler Bedeutung für de Energiewende

Eine Vernetzung von Stromerzeugern, Speichern und Verbrauchern – was gerade im Energy Lab 2.0 am Karlsruher Institut fürTechnologie (KIT) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luftund Raumfahrt und dem Forschungszentrum Jülich entsteht, könnte für die Energiewende von zentraler Bedeutung sein. Die Wissenschaftler arbeiten an einem Kontrollzentrum, in dem die Energieflüsse etwa aus Photovoltaikanlagen oder thermischen Speichern erfasst, überwacht und sogar zentral gesteuert werden können. Das Energy Lab 2.0 soll als Modell für ein vollständig erneuerbares Energiesystem im Kleinen dienen, von dem die Forscher hoffen, das es auf die Bundesrepublik übertragen werden kann. Forschung und Entwicklung haben in Karlsruhe eine lange Tradition: Von Heinrich Hertz, dem Entdecker der elektromagnetischen Wellen, bis hin zur ersten E-Mail Deutschlands. Weltweit hat allen voran das KIT einen hervorragenden Ruf. Der einzigartige Zusammenschluss aus nationalem Forschungszentrum und Universität setzt Maßstäbe. Hier wird getüftelt und analysiert, ganz ohne Elfenbeinturm, sondern mit den Fragen der Zukunft im Fokus. Ein kleiner Einblick in den Forschungsalltag.

"Der einzigartige Zusammenschluss aus nationalem Forschungszentrum und Universität setzt Maßstäbe"

Thematische Schwerpunkte der Arbeiten am KIT sind Gesellschaft und Technik sowie Umwelt und Energie. Genau hier setzt das Projekt „CompetenceE“ an. Es vereint sämtliche Forschungsaspekte vom Batteriematerial bis zum elektrischen Speichersystem auf eine deutschlandweit einzigartige Weise. Das Ziel: Bis 2018 Batteriesysteme zu fertigen, die eine Energiedichte von 250 Wattstunden pro Kilogramm bei Kosten von 250 Euro pro Kilowattstunde aufweisen. Die Batterien von morgen könnten dann beispielsweise Stadtbusse antreiben. Die Anforderungen sind klar: Der Bus muss 95 Personen transportieren können und sollte eine Tagesreichweite von 250 Kilometern meistern.

Thematische Schwerpunkte der Arbeiten am KIT sind Gesellschaft und Technik sowie Umwelt und Energie

Derzeit arbeiten „Competence E“- Projektleiter Olaf Wollersheim und seine Kollegen an einer neuen Batterietechnologie für eine zwölf Meter Langversion. In etwa zwei Jahren soll ein Prototyp mit Straßenzulassung fertig sein. Eine weitere mögliche Antwort auf die Fragen der Zukunft liefert der größte Solarstrom-Speicher-Park in Deutschland am Campus Nord des KIT. Die mehrere Fußballfelder große Ein-Megawatt-Anlage mit Anschlüssen für bis zu 18 Speicher soll die Zuverlässigkeit dieser Technik testen. „Eine Photovoltaik- oder Windenergieanlage produziert Strom billiger als andere Arten der Energiegewinnung. An guten Standorten kostet Strom nur wenige Cent pro Kilowattstunde“, sagt Wollersheim. Wind und Sonne stehen allerdings nicht rund um die Uhr zur Verfügung. Speicher sollen deshalb tagsüber Energie einlagern und nachts bei Bedarf zur Verfügungm stellen. „Wenn sich das System in unseren Tests bewährt, kann es weltweit vermarktet werden“, so Wollersheim.

Rangieren und Herankwinken - für FIFI kein Problem. Und entlastet das Personal zum Beispiel im Versandhandel..

FiFi ist sehr gehorsam

Hebt man die Hand, gehorcht er seinem Bediener aufs Wort – oder besser gesagt auf die Geste. FiFi ist nämlich kein gut erzogener Hund, sondern ein gestengesteuertes Transportfahrzeug. Es wurde am Institut für Fördertechnik und Logistiksysteme am KIT erfunden und soll Mitarbeitern in der Logistikndas Leben erleichtern. „Mit FiFi haben wir ein Benutzerinterface entwickelt, das viel intuitiver und natürlicher zu handhaben ist, als die bisher in der Branche üblichen Systeme“, erklärt Institutsleiter Kai Furmans. Die einfache und berührungslose Bedienung entlastet das Personal sowohl mental als auch körperlich. „Im Versandhandel laufen Mitarbeiter jeden Tag bis zu 25 Kilometer und schieben dabei noch schwere Wägen. FiFi trägt diese Last“, ergänzt Andreas Trenkle, der das Projekt leitet.

In einem Jahr rollt vielleicht schon der erste Helferroboter durch die Lager

Mit einem Winken zeigt der Lagerarbeiter, dass FiFi ihn unterstützen soll. Bewegt er sich anschließend zu dem entsprechenden Regal, folgt FiFi automatisch. Auf eine erneute Geste hin rollt das Transportfahrzeug heran, sodass die Ware auf ihm abgelegt werden kann. Über ein Hubsystem lassen sich verschiedene Arbeitshöhen per Handzeichen einstellen. Hat der Arbeiter seine Aufgaben im Lagerbereich erledigt, fährt FiFi selbstständig eine Linie entlang, die beispielsweise zur Verpackungsstation führt. „Der Mitarbeiter kann sich dann schon der nächsten Bestellung widmen. Das spart Zeit und verkürzt Laufwege“, erläutert Trenkle. Bei FiFi finden eine 3D-Kamera und Algorithmen Anwendung, die auch für Spielekonsolen genutzt werden. Dabei ist die Unterscheidung zwischen Menschen und Gegenständen manchmal schwierig. „Wir haben lange an den Algorithmen getüftelt, um FiFi beizubringen, dass er auf Menschen reagiert und sich nicht fälschlicherweise in einen Gegenstand verliebt“, erklärt Trenkle. Genau hier läge aber noch der größte Forschungsbedarf. In Pilotanwendungen wird nun das Verhalten von FiFi im echten Leben getestet, sodass in gut einem Jahr vielleicht schon der erste Helferroboter durch die Lager rollt.

Superleichter Mini-Helicopter für Rettungseinsätze, Beobachtung und Aufklärung

Kleiner Flieger, große Aufgabe

Wenn Rettungskräfte künftig in Katastrophengebieten Menschenleben retten müssen, könnten sie Unterstützung made in Karlsruhe erhalten – aus der Luft. Gert Trommer vom Institut für Theoretische Elektrotechnik und Systemoptimierung hat dafür den Air Quaid entwickelt: ein intelligenter Mini-Helikopter mit vier oder acht Rotoren. „Unser Ziel war ein autonomes Gerät, das sich auch im Inneren von Gebäuden oder in Gegenden ohne GPS zurecht findet“, sagt Trommer. So könnte der Air-Quad beispielsweise in einem Erdbebengebiet vor der Hilfsmannschaft die Lage erkunden, Fotos und eine Karte erstellen und erkennen, wo sich Personen aufhalten, die es zu bergen gilt. Die Einsatzplanung erfolgt unkompliziert über ein Laptop.

Dem Mini-Heli helfen sämtliche Sinne, die auch Menschen besitzen, in Form von Sensoren. Statt eines Auges hat der Air-Quad eine Bildverarbeitungssoftware, eine Art Barometer hilft ihm, Höhenunterschiede von bis zu zehn Zentimetern zu messen. Ein Magnetfeldsensor lässt das Fluggerät Winkel im Raum bestimmen. „Außerdem hat er als Gleichgewichtssinn wie das menschliche Innenohr Beschleunigungsmesser und Rotationssensoren, die ihn gerade halten, auch wenn mal ein Windstoß kommt“, erklärt der Professor. Selbst einen Tastsinn kann das intelligente Flugobjekt einsetzen, indem es mit einem Laserscanner Entfernungen von bis zu 30 Metern misst. Für die praktische Anwendung ist man am KIT schon seit Jahren mit  potentiellen Nutzern wie dem THW in Kontakt. Vier Jahre will der Institutsleiter noch weiter forschen, dann wäre der Air Quad für seinen ersten operationellen Einsatz bereit.

Ein virtueller Spaziergang

Wie kann ich mich an einem Ort bewegen, den es noch gar nicht gibt?
Am Lehrstuhl für Intelligente Sensor- Aktor-Systeme (ISAS) des KIT macht Uwe Hanebeck genau das möglich. Der Ingenieur nutzt das Prinzip der Telepräsenz, um sich virtuell an entfernte Orte versetzen zu lassen. „Das kann eine reale Architektur sein, etwa ein Museum oder ein Bauwerk, das es erst als Entwurf gibt“, erklärt der Professor. Der Nutzer nimmt seine Umgebung durch ein Head-Mounted Display in Form einer großen Brille wahr. Jede Bewegung wird in die digitale Umgebung gespiegelt. Ein an der Decke befestigter Roboterarm, den man vor sich her schiebt, simuliert Widerstand oder überträgt andere haptische Informationen. Möglich sind derzeit mehrere Szenarien: In einer realen Umgebung steht ein Roboter oder ein menschlicher Partner, auf den die Bewegungen des Brillenträgers übertragen werden. Die Stellvertreter sind mit Kameras und Mikrofonen
ausgestattet, um alle Sinneseindrücke wahrzunehmen. Die zweite Möglichkeit: In einer real existierenden Umgebung sind Kameras aufgebaut, die Live-Bilder auf das Display spielen. „Während ich mich bewege, entwirft die Kamera ein Bild der Umgebung, in der ich mich gerade aufhalte“, sagt Hanebeck. Die dritte Option ist eine rein virtuelle Umsetzung. „So könnte zum Beispiel die Evakuierung eines Hotels erprobt werden, das erst als Entwurf existiert, um dann die Fluchtwege optimal zu planen“, so der Institutsleiter.

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