Basler Legende s’Selmeli

30.000 bedürftige Menschen in den Europa-Park gebracht / 1976 begehrte die energische Frau erstmals Einlass für ihre Kinderschar / Enge Freundschaft mit Familie Mack

Sie hat die Herzen der Menschen erreicht und den Europa-Park auf ganz besondere Weise geprägt. Selmeli Ratti brachte weit über 30.000 bedürftige Menschen gratis in Deutschlands größten Freizeitpark. 2014 ist die wohltätige Schweizerin im Alter von 95 Jahren verstorben. Über drei Jahrzehnte verkaufte sie Popcorn und Raritäten auf dem Basler Petersplatz und sammelte Spenden. Damit finanzierte sie über 600 Fahrten in den Europa-Park.
1976, ein Jahr nach Eröffnung des Europa-Park, stand die kleine, forsche Frau am Haupteingang und begehrte kostenlos Einlass für sich und ihre Kinderschar. Sie ließ sich nicht abwimmeln und wollte die Geschäftsführer sprechen.

Selmeli

„Sie hat mich gleich geduzt und kam sofort zur Sache, der Deal war, ich soll sie kostenlos in den Park lassen und sie würde in Basel, wo sie jeder kenne, Werbung für den Europa-Park machen. Bei dem Schnabel konnte man nicht Nein sagen,“ erinnert sich Europa-Park-Chef Roland Mack und ergänzt: „Daraus entstand eine tiefe Freundschaft, sie hat uns von ihrer Sache überzeugt und berührt. Wir haben sie oft in Basel in ihrem Haus besucht, da liefen Hühner und Ziegen rum, das war voll mit Puppen und Porzellan, eine märchenhafte Stube. Wenn sie in den Europa-Park kam, hatte sie immer für alle Mitarbeiter eine Tafel Schokolade dabei. Später, als sie schon über 70 war, hat sie die Kinder und die Schokolade abgeliefert und sich bei uns zu Hause aufs Sofa gelegt“, schmunzelt Mack.

Schon vor vielen Jahren platzierte sie als junge Frau ein Pfännchen auf einem Elektrokocher, warf amerikanischen Puffmais hinein und zeigte ganz Basel, pling, plong, was Popcorn ist. Seither hat sie den Spitznamen „Popcorn“- oder „Hiehnerfuetter“-Selmeli weg. Mit dem Erlös aus dem Verkauf und den zahlreichen Spenden reiste sie immer wieder mit Kindern, Jugendlichen und alten Menschen nach Rust.

„Für andere Menschen da zu sein – das ist meine Vorstellung von Lebensqualität“, so Selmeli.

Mit 61 Jahren ist sie gemeinsam mit ihrem Mann, einem Eisenbahner, in ein kleineres Haus am Petersplatz gezogen. In Selmelis bunter Welt hieß ein Zimmer „zum Zauberapfel“, Essen und Trinken wurde hier nur in Puppenhausgeschirr serviert. Mit ihrem etwas ruppigen Charme hat sie vieles erreicht. „Ein Nein hätte sie sowieso nicht akzeptiert“, bekräftigt Roland Mack, dem sofort viele Geschichten zu diesem Original einfallen.

„Die Hühner haben mit ihr Fernsehen geschaut. Direkt vor dem Haus hat sie jede Menge Ramsch verkauft, alle angesprochen und so Geld für die Fahrten gesammelt, mit ungeheurer Energie und sehr geschäftstüchtig“, bewundert der Geschäftsführer.
Die Familie Mack hat Selmelis Idee aufgegriffen und mit der Aktion „Frohe Herzen“ inzwischen über eine Million bedürftige Menschen in den Europa-Park eingeladen. Aber damit nicht genug. Zu ihrem 80. Geburtstag wurde Selmeli als erste Persönlichkeit zur Ehrenbürgerin des Europa-Park gewählt.

Zum 90. Geburtstag wurde im Walliser Dorf das „Selmeli-Gässli“ eingeweiht. Denn die Rattis stammen ursprünglich aus dem Wallis.