Der Tunnelmacher

Von Schwanau in Südbaden aus hat Martin Herrenknecht das Tunnelbohren geradezu revolutioniert

die Wirtschaft setzt auf eine starke TechnologieRegion Karlsruhe. Wie kaum eine andere europäische Region bie- tet Karlsruhe mit seinem Umland erstklassige und teilwei- se weltweit führende Angebote in Wissenschaft, Bildung und Kultur. Das sind international beste Voraussetzungen für zukunftsträchtige Wirtschaftsansiedlungen. Für solch regionale Alleinstellungsmerkmale setze ich mich auch als Vorsitzender der TechnologieRegion verstärkt ein. Kein Wunder, dass wir in unserer Region weit überdurchschnitt- lich viele Weltmarktführer haben, Hidden Champions und Global Player. Darauf werden wir weiter setzen.
Der „Wirtschaftsspiegel der TechnologieRegion Karlsruhe“ gibt einen erstklassigen und spannend aufbereiteten Ein- blick in diese ausgesprochen positive Entwicklung.

Sissi schaffte den Durchbruch, auch Heidi, Gabi 1 und Gabi 2 leisteten wertvolle Arbeit. Am 15. Oktober 2010 war damit eine wichtige Etappe bei einem Jahrhundertbauwerk in der Schweiz erreicht: Der Gotthard-Tunnel im Kanton Graubünden wird nach seiner Fertigstellung und Inbetriebnahme 2016 mit 57 Kilometern der längste Eisenbahntunnel der Welt sein. Durch zwei Röhren rollt dann der meiste Güterverkehr durch die Schweizer Alpen. Mit täglich bis zu 300 Zügen wird gerechnet. Doch wer hat’s gebohrt? Die Antwort auf diese Frage führt aus der Schweiz nach Schwanau in Südbaden. Nur wenige Kilometer vom Europa Park entfernt, hat dort der Weltmarktführer für Tunnelbohrmaschinen seinen Sitz: die von Martin Herrenknecht gegründete und geführte Herrenknecht AG. „Der Gotthard-Tunnel war die Königsklasse“, erinnert sich der 1942 geborene und in Schwanau aufgewachsene Unternehmer.

Trotz aller Vorerkundungen seien immer wieder unvorhergesehene Schwierigkeiten aufgetaucht, so beispielsweise gleich zu Beginn, als nach nur 200 Metern der Vortrieb der Maschinen durch brüchiges Gestein etwas ausgebremst wurde. Das sei der „Nervenkitzel des Tunnelbauers“, beschreibt Herrenknecht – und resümiert: „Dass die Schweizer dabei auf unsere Technik vertraut haben, ist die größte Wertschätzung, die wir als Unternehmen bekommen können.“ Herrenknechts Tunnelbohrmaschinen erinnern vom Aussehen her entfernt an Weltraum-Transporter „Made in Hollywood“. Sie bohren sich durch
jeden denkbaren Untergrund, egal ob hart, weich, trocken oder wasserführend, alles kein Problem. Jede Maschine ist eine Einzelanfertigung, speziell auf den jeweiligen Untergrund ausgerichtet.

Martin Herrenknecht hält selbst einen Tunnel von mehr als 100 Kilometern Länge zwischen Asien und Amerika
unter der Beringstraße bautechnisch grundsätzlich für machbar.

Auch Entfernungen können die Bohrer und ihren Entwickler nicht schrecken. Martin Herrenknecht hält selbst einen Tunnel von mehr als 100 Kilometern Länge zwischen Asien und Amerika unter der Beringstraße bautechnisch grundsätzlich für machbar. Der badische Tüftler hat das Tunnelbohren in mehr als 30 Jahren entscheidend vorangebracht. Sein Studium hatte er mit 21 abgeschlossen, um zunächst sieben Jahre als Konstruktionsingenieur in der Schweiz und in Kanada Erfahrung zu sammeln. 

20.000 D-Mark Startkapital

1975 machte er sich selbstständig. Die Mutter steuerte das Startkapital von mehr als 20.000 Mark bei, der Vater, ein Polsterer mit rund einem Dutzend Mitarbeitern, zahlte die Miete für ein kleines Apartment – so ging es los, im Kopf eine Idee. Beim Tunnelbau wurde und wird traditionell viel gesprengt, was aber risikoreich und langwierig sein kann. Herrenknechts Alternative: Ohne Sprengen den Boden mechanisch abtragen. Dafür sind Herrenknechts Maschinen-Maulwürfe an der Spitze meist mit einem sich drehenden Schneidrad ausgestattet, das sich in und durch den Boden fräst. Durch das Gotthardmassiv fraßen sich vier jeweils über 400 Meter lange und rund 2.700 Tonnen schwere Tunnelbohrmaschinen – mit den Namen „Sissi“, „Heidi“, „Gabi 1“ sowie „Gabi 2“. Bis zu 17 Meter Durchmesser haben die Bohrköpfe – sie sind immer so groß wie die Tunnel, die sie bohren sollen. Im Hartgestein sorgen Druckzylinder dafür, dass diese Bohrköpfe einen gewaltigen Anpressdruck entfalten. Schneiderollen brechen dann das Gestein in handtellergroßen Stücken aus der Wand.
„Die Macks sind aus meiner Sicht eine Unternehmerfamilie par excellence. Sie entwickeln den Europapark und das internationale Fahrgeschäft konsequent weiter, agieren mit vorausschauendem unternehmerischem Gespür und haben die unternehmerischen Rollen in der Familie klug verteilt.
Sie stehen damit nicht nur in Baden als Spitzenunternehmen da, sondern sind auch als Familienunternehmen in Deutschland eine Top-Adresse.“


Martin Herrenknecht
Der Durchbruch beim Gotthardtunnel war vielleicht der Höhepunkt im Schaffen Martin Herrenknechts,
aber seine Projekte sind stets spektakulär.

Der Herrenknecht-Konzern liefert aber nicht nur die Maschinen fürs Bohren, sondern unter anderem auch Förderbänder, um das Gestein abzutransportieren. Außerdem produzieren die Anlagen an Ort und Stelle Betonelemente, mit denen die Tunnelwände ausgekleidet werden – das Unternehmen aus Südbaden sorgt also für eine Rundumversorgung tief unter der Erde. Wo immer daher irgendwo in aller Welt ein Tunnel durch welchen Untergrund auch immer getrieben werden soll, ist Herrenknecht sehr wahrscheinlich mit von der Partie. Oft rufen seine Maschinen Erstaunen und Bewunderung hervor. In Karlsruhe, wo ein Modell mit einem Durchmesser von mehr als neun Metern einen Stadtbahntunnel unter der Fußgängerzone erstellt, haben die Leser einer Online-Zeitung die Maschine „Fächerwurm“ getauft – angelehnt an den Karlsruher Beinamen  „Fächerstadt“.

Wo immer irgendwo in aller Welt ein Tunnel durch welchen Untergrund auch immer getrieben werden soll, ist Herrenknecht sehr wahrscheinlich mit von der Partie

Mit den Maschinenwürmern aus Südbaden wird fast die halbe Welt durchlöchert: In Kuala Lumpur etwa haben sie einen Straßentunnel gebohrt, der bei Monsunregen der Entwässerung dient. Weitere Tunnel haben sie in China etwa zur Unterquerung des Jangtse vorangetrieben. In Istanbul sind sie dabei, den Verkehr zweistöckig unter den Bosporus zu verlegen. Auch für Metro-Bauten von Moskau und Doha bis Rio und São Paulo waren und sind Herrenknechts Maschinen im Untergrund unterwegs. Überall verbinden sie, wo sich der Mensch jahrhundertausendelang gar keine Verbindung vorstellen konnte. In der Summe haben sich die Herrenknecht-Bohrer bereits bei über 2.600 Tunnelprojekten rund um den Globus durch den Boden gewühlt.Und für ihren Chef dürfte es wohl kaum noch ein Land geben, in das er noch nicht gereist ist, um seine Maschinen vorzustellen, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen sowie die Arbeiten zu leiten.

Gründung des Lahrer Flugbetriebs zusammen mit der Familie Mack

Sein einst quasi als Garagenfirma angetretenes Unternehmen beschäftigt heute rund 4.600 Mitarbeiter am Hauptsitz in Schwanau und in weltweiten Tochterunternehmen. Herrenknecht gehört damit zu den rund 1.300 „Hidden Champions“ aus Deutschland – mittelständischen Unternehmen also, die erfolgreich Nischen behaupten und Weltmarktführer sind. In einem Ranking des Magazins „Wirtschaftswoche“ wurden die Tunnelbohrer bereits wiederholt als wertvollste Marke unter diesen heimlichen Helden der Wirtschaft gewertet. Der Herr der Tunnel – den der frühere baden-württembergische Ministerpräsident und ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende des Herrenknecht- Konzerns, Lothar Späth, als „Alphatier mit starker Gefühlswelt“ charakterisiert, hat bei allen weltweiten Erfolgen nie die Bodenhaftung verloren. Die Region Südbaden ist sein Lebensmittelpunkt geblieben – und dafür engagiert er sich vielfältig und grenzüberschreitend entlang des Oberrheins. Herrenknecht unterstützt etwa Bildungseinrichtungen von Karlsruhe und Offenburg über Straßburg bis nach Basel. Auch für den Flugplatz Lahr springt er in die Bresche. Nach der Insolvenz der Betreibergesellschaft 2013 hat er die „Lahrer Flugbetriebs GmbH & Co. KG“ gegründet – zusammen mit der Familie Mack sowie dem Brausen- und Armaturenhersteller Hansgrohe, der ebenfalls in Südbaden seinen Sitz hat. Sie alle leisten auch finanzielle Beiträge, um den Regionalflughafen zu erhalten.

"Ich kenne keinen halben Pfarrer!“

Bekannt geworden ist zudem die Geschichte um die Pfarrstelle von Allmannsweier, einem Teilort von Schwanau, wo Herrenknecht wohnt. Als die badische evangelische Landeskirche vor mehr als einem Jahrzehnt plante, die Stelle zu halbieren, entgegnete er: „Herr Bischof, ich kenne keinen halben Pfarrer!“ Erst übernahm er jahrelang die Hälfte der Kosten für die Pfarrerstelle – mittlerweile trägt er sogar bis mindestens 2020 die gesamten Aufwendungen. Es sei ihm wichtig, dass die Pfarrersleute in seiner Gemeinde ihre gute Seelsorge- und Jugend-Arbeit fortsetzen können, erklärt der Unternehmer. Ob Allmannsweier seine Welt sei, hat ihn ein Reporter einmal gefragt. „So isch es“, hat Martin Herrenknecht daraufhin nur geantwortet.

Video zum Thema unter:
www.herrenknecht.com/unternehmensfilm