Mit Toleranz und Demut weit kommen

Torwartlegende Jens Lehmann

Torwartlegende Jens Lehmann ist heute TV-Experte und engagiert sich als Botschafter für die „Laureus Sport for Good“-Foundation. Im Interview erzählt er, was er dabei erlebt und er erklärt, was ihn als Fußballer besonders geprägt hat

Wie kam es zu Ihrem Engagement bei Laureus?
Jens Lehmann: Laureus Sport for Good wendet sich an sozial benachteiligte Kinder und ich nutze gerne meine Erfahrungen aus meinem eigenen Sportler-Leben, um Kinder und Jugendliche zu inspirieren und zu motivieren, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. So kam der Laureus-Vorstand vor einigen Jahren auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich Laureus Sport for Good als Botschafter unterstützen möchte. Da habe ich gerne Ja gesagt.

Was machen Sie konkret?
Lehmann: Mir wurde gleich ein Projekt angetragen, das Mädchenfußballprojekt „Kicking Girls“. Das war passend, da ich selbst eine Tochter habe. Außerdem habe ich im Ausland gespielt und dort gemerkt, dass man vor allem mit Toleranz und Demut weit kommen kann. Und Toleranz ist auch auch bei den „Kicking Girls“ ein wichtiger Faktor.

Was machen Sie konkret?
Lehmann: Mir wurde gleich ein Projekt angetragen, das Mädchenfußballprojekt „Kicking Girls“. Das war passend, da ich selbst eine Tochter habe. Außerdem habe ich im Ausland gespielt und dort gemerkt, dass man vor allem mit Toleranz und Demut weit kommen kann. Und Toleranz ist auch auch bei den „Kicking Girls“ ein wichtiger Faktor.

Inwiefern?
Lehmann: Die Kinder, an die sich das Projekt wendet, haben in den meisten Fällen einen Migrationshintergrund. Diesen Kindern, gerade auch aus kulturell anderen Hintergründen, helfen wir. Zum Beispiel dürfen sie oft nicht in gemischten Fußballmannschaften mit Jungs spielen oder von männlichen Trainern gecoacht werden ... hier setzt das Projekt Kicking Girls mit reinen Mädchenmannschaften und weiblichen Trainern an. Das Konzept wurde bereits von mehreren Ländern übernommen und mittlerweile auch in der Schweiz, Österreich und Irland erfolgreich umgesetzt.

Welche Erfahrungen machen Sie dabei?
Lehmann: Ich habe bei den „Kicking Girls“ mal ein Mädchen kennengelernt, das zwei Wochen vorher an einem bewaffneten Tankstellenüberfall teilgenommen hatte, mit 14 oder 15. Wenn diese Mädchen anfangen, Fußball zu spielen, dann sind sie weg von der Straße. In unserem Projekt lernen sie, Verantwortung zu übernehmen und auch Interesse an einer Rolle als Führungskraft zu gewinnen. Das Projekt gibt ihnen die Möglichkeit, selbst zu Trainerinnen ausgebildet zu werden und so etwas ist für ihr Selbstwertgefühl sehr wichtig. Auch wenn Kinder und Jugendliche merken, dass Gemeinschaft Spaß macht, ist das ein großer Erfolg.

Sie selbst konnten lange nicht genug kriegen von diesem speziellen Gemeinschaftsgefühl des Fußballs, Ihr letztes Profispiel machten Sie mit 41, konnten Sie nicht aufhören?
Lehmann: Nee, ich hätte auch noch weiter spielen können.

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Und wie war es dann, als Sie die Karriere beendeten?
Lehmann: Das neue Leben zu beginnen war relativ leicht, aber ich glaube, alle Sportler, die aufhören, fallen erstmal in ein Adrenalinloch. Vorher hat man zwei-, dreimal die Woche richtig Adrenalin und das fällt weg ... dafür einen Ersatz zu finden, ist schwer. Das Licht geht an, ich muss etwas leisten... Wettkampf ist einfach das Schönste für mich. Ich mache nach wie vor viel Sport und vor allem Skifahren ist für mich so ein bisschen ein Adrenalinersatz.

Vorhin betonten Sie, dass Ihre Auslandsaufenthalte eine große Bedeutung hatten – warum?
Lehmann Wenn man in Deutschland Nationalspieler wird, dann ist man quasi unantastbar in seinem Verein und je nachdem, wie klein die Stadt ist, in der man lebt, kriegt man das Gefühl, weil die Leute es einem geben: Du bist super. Aber wenn man dann ins Ausland geht, stellt man fest, man ist einer von vielen und kann auch schnell mal ersetzt werden. Das ist gut für die Persönlichkeit.

Sie haben für Schalke, den AC Mailand, Dortmund, Arsenal und Stuttgart gespielt – was war Ihre wichtigste Station?
Lehmann: Sportlich war die beste Zeit eigentlich Schalke, weil ich dort mit 18 Jahren ins Tor gekommen bin, dann haben wir in der Zweiten Liga gegen den Abstieg gespielt. Ich musste schon in jungen Jahren mit großem Druck umgehen. Später war ich ein sehr druckresistenter Spieler, ohne diese Zeit wäre ich das nicht geworden. Ich habe bei Schalke viele Enttäuschungen gehabt, aber auch wunderschöne Erlebnisse und den schönsten Sieg meiner Karriere mit dem UEFACup- Sieg 1997. Wir waren solche Außenseiter und haben etwas so Großartiges geschafft.

Wie sehen sie den heutigen Fußball?
Lehmann: Von der Infrastruktur der Stadien her ist der deutsche Fußball super, sogar die Zweite Liga ist ja, glaube ich, von den Zuschauerzahlen her, die sechststärkste Liga der Welt. Das Spiel ist auch in Deutschland noch schneller geworden als vor sechs Jahren, als ich noch gespielt habe. Aber, ich bin als Botschafter der Deutschen Fußballliga unterwegs in Amerika und Asien und was man dort immer wieder hört: Es gibt zu wenige Stars, daran sollte die Bundesliga arbeiten.

Info

Laureus Sport for Good Jugendcamp
Die erste große gemeinsame Aktion mit
dem Europa-Park wird das Laureus Sport
for Good Jugendcamp im Oktober 2017
sein. Unter dem Motto „Jugendliche für
Jugendliche“ treffen sich rund 80 junge
Vertreter aus den deutschen und österreichischen
Sport-for-Good-Projekten in
Rust. Im Rahmen von Workshops, durch
inspirierende Erfolgsgeschichten und
Best-Practice-Beispiele aus dem Projektalltag
lernen die Jugendlichen, die in
ihren Projekten bereits Verantwortung und
eine Vorbildfunktion für Jüngere übernehmen,
wie sie die Projektarbeit langfristig
auch selbst unterstützen können.

Jens Lehmann

wurde am 10. November 1969 in Essen geboren. In über
20 Jahren als Profi wurde er WM-Dritter und EM-Zweiter,
UEFA-Cup-Sieger mit Schalke, deutscher Meister mit
Borussia Dortmund und englischer Meister mit dem FC
Arsenal, dem er 2011 mit 41 Jahren noch einmal in einem
Premier-League-Spiel aushalf. Lehmann bestritt 468
Bundesligaspiele (für Schalke, Dortmund und Stuttgart)
von 1988 bis 2010 und 61 Länderspiele. Hinzu kommen
Auslandsstationen beim AC Mailand und bei Arsenal
London. Unvergessen bleibt sein Auftritt beim WM-Sommermärchen
2006 im Elfmeterschießen gegen Argentinien
mit dem legendären Spickzettel, auf dem die Vorlieben der
gegnerischen Schützen notiert waren.

Und welche Eindrücke haben Sie vom Europa-Park?
Lehmann: Ich bin zum zweiten Mal da, das letzte Mal war ich mit der Nationalmannschaft vor etwa 15 Jahren hier, seither hat es sich ja nochmal verdoppelt, oder? Ich bin mit Michael Mack noch in der Nacht durch den Park gefahren, das war schon imposant, obwohl gar nicht so viel zu sehen war. Es erinnert mich an eine große Märchenlandschaft, großartig. Das Flugerlebnis Voletarium ist einmalig, das möchte ich unbedingt bald mit meiner Familie wiederholen.

Weitere Informationen:
www.laureus.com

Christoph Ertz