»Afrika ist kein dunkler Kontinent«

emotional pur traf Kweku Mandela, den Enkel Nelson Mandelas

»Unser Fokus liegt darauf, die Wahrnehmung auf Afrika zu verändern. Auch dahingehend, dass mehr Menschen ermutigt werden, nach Afrika zu reisen und auch dort zu investieren.«

Eine der größten Persönlichkeiten der Geschichte als Großvater zu haben, kann es sicher schwierig machen, eine eigenständige Bedeutung aufzubauen. Aber Kweku Mandela, geboren 1985, nimmt diese Herausforderung wahr: Der Enkel Nelson Mandelas ist Präsident einer der größten Film- und TV-Produktionsfirmen Südafrikas, „Out of Africa Entertainment“. Außerdem gründete er mit seinem Cousin Ndaba Mandela 2009 die Stiftung „Africa Rising“, die mit Jugendlichen arbeitet und darauf abzielt, die globale Wahrnehmung Afrikas zu verändern. Sein Credo: Afrika bedeutet viel mehr als die üblichen Geschichten über Kriege, Hunger und Epidemien. Afrika biete viele Chancen und eine überwiegend junge Bevölkerung, die vieles verändern wird, betont er.Unlängst kam Kweku Mandela zu einer Spendenübergabe zu Gunsten eines Unicef-Projekts für Afrika in den Europa-Park. Dabei nahm er sich auch Zeit für ein ausführliches Interview mit emotional pur. Er sprach unter anderem über seine Sicht auf Afrika abseits der oft verbreiteten Negativ-Klischees und natürlich über seinen berühmten Großvater Nelson Mandela.
Der Enkel von Nelson Mandela will das Erbe seines
berühmten Großvaters bewahren.

Was bedeutet es, ein Mandela zu sein?
Kweku Mandela: Ich bin sehr stolz darauf, was ich repräsentiere. Ich stamme aus einer Nation und einer Familie mit einer großen Geschichte, womit ich nicht nur meinen Großvater meine. Aber zugleich bin ich auch nur einer von vielen Menschen auf dieser Welt.

Kann es auch eine Last sein, Teil einer so berühmten Familie zu sein?
Mandela: Nein. Sicher gibt es Erwartungen, aber das ist in jeder Familie so. Die Großeltern und Eltern haben etwas geschaffen, von dem sie erwarten, dass die nachfolgende Generation es fortführt. Es liegt in der Verantwortung des Einzelnen zu entscheiden, ob man das tun kann oder nicht.

Wie war es, als Sie zum ersten Mal Ihren Großvater Nelson Mandela trafen?
Mandela: Das war 1991, als er noch unter Hausarrest stand. Dem Großteil der Familie wurde erstmals erlaubt, ihn für einen Tag zu besuchen. Er war sehr warmherzig. Er liebte Kinder. An diesem Tag sorgte er dafür, dass wir heiße Schokolade bekamen und dass es Zeichentrickfilme im Fernsehen zu sehen gab.
Wie war es, als Sie zum ersten Mal Ihren Großvater Nelson Mandela trafen?
Mandela: Das war 1991, als er noch unter Hausarrest stand. Dem Großteil der Familie wurde erstmals erlaubt, ihn für einen Tag zu besuchen. Er war sehr warmherzig. Er liebte Kinder. An diesem Tag sorgte er dafür, dass wir heiße Schokolade bekamen und dass es Zeichentrickfilme im Fernsehen zu sehen gab.
Worin besteht für Sie das wichtigste Erbe Nelson Mandelas?
Mandela: Was sehr besonders an ihm war, neben seinen historischen Leistungen, das war die Art und Weise, wie er mit Menschen umging. Daher treffe ich, egal wohin ich reise, immer wieder Menschen, die sich beispielsweise daran erinnern, wie es war, als sie ihn zum ersten Mal im Fernsehen sahen oder ihn trafen. Sein größtes Erbe ist aber vielleicht seine Selbstlosigkeit, sein Bedürfnis, anderen zu dienen.
Aber auch Nelson Mandela war nur ein Mensch.
Mandela: Natürlich, er hat sicher auch Fehler gemacht. Er war kein Heiliger, doch man muss sich vor Augen halten, dass er viele schwere Opfer brachte, wie zum Beispiel, dass er seine Kinder nicht hat aufwachsen sehen.
Ist es Ihr Ziel, das Erbe Nelson Mandelas lebendig zu halten?
Mandela: Auf meine Weise, ja. Ich habe eine Verantwortung und auch die Möglichkeit, um die Geschichten zu erzählen, die mir wichtig sind. Das ist meine Leidenschaft im Filmgeschäft. Und zugleich habe ich eine Stimme, die ich dazu nutzen kann, um Anliegen zu verbreiten, an die ich glaube. Und das tue ich beispielsweise im Kampf gegen Aids und für mehr Bildung sowie im Kampf gegen die weltweite Armut.
Das Bild von Afrika im Norden der Erde wird geprägt von Kriegen, Hunger, Krankheiten, Korruption und anderen negativen Dingen. Welche Geschichte wollen Sie dagegen von Afrika erzählen?
Mandela: Die Realität ist, dass diese Dinge passieren, aber sie passieren überall auf der Welt. Hunger, Drogen, Sklavenhandel, Aids – das sind globale Angelegenheiten. Worauf ich dagegen die Aufmerksamkeit lenken will, ist die Förderung der afrikanischen Jugend: Die Mehrheit der Bevölkerung ist jung. Diese jungen Menschen werden vieles verändern. Sie haben die gleichen Erwartungen und Träume, wie die Menschen überall auf der Welt. Afrika ist nicht der dunkle Kontinent, zu dem es oft gemacht wird. Es gibt viel mehr, was dort vor sich geht.

Was sind Beispiele für das aufstrebende Afrika?
Mandela: Beispiele gibt es überall. Schauen Sie sich Ruanda an. Vor 20 Jahren gab es dort Bürgerkrieg und Völkermord. Sie haben das überwunden. Oder Südafrika, die Apartheid ist erst 20 Jahre vorbei. Erst seit 20 Jahren kann sich jeder als Teil einer Nation fühlen und erst seit 20 Jahren gibt es ein Gefühl der Freiheit. Ich treffe beinahe täglich junge Leute, die Restaurants eröffnen, Kaffees oder Bücherläden. Dort herrscht ein besonderer Unternehmergeist. Sicher, es gibt noch Arbeitslosigkeit, aber das ändert sich. Fast überall auf der Welt wächst die Wirtschaft nur noch langsam und es ist eine gewisse Sättigung eingetreten. In Afrika ist das ganz anders, da gibt es noch viele Chancen. Zum Beispiel wird mehr als 80 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche in Afrika noch gar nicht bearbeitet. Der Rest der Welt kann sich entscheiden, an solchen Chancen teilzuhaben oder eben nicht.

Sie sind Präsident einer Filmproduktionsgesellschaft. Gibt es große Unterschiede darin, ein Unternehmen in Afrika oder in Europa zu führen?
Mandela: Eigentlich nicht. Auch in Afrika gibt es Vorschriften und Regeln, die befolgt werden müssen. Sie bezahlen Ihre Steuern und die Gehälter und Sie handeln Verträge aus. Und bei uns in Südafrika sind die Banken sehr hilfreich bei Investitionen.

Welches Ziel verfolgt Ihre Stiftung „Africa Rising“?
Mandela: Unser Fokus liegt darauf, die Wahrnehmung auf Afrika zu verändern. Auch dahingehend, dass mehr Menschen ermutigt werden, nach Afrika zu reisen und auch dort zu investieren. Wenn man heute aber Menschen aus anderen Kontinenten zu Afrika befragt, denken sie eben meist an Dürren, Hungersnöte oder all die anderen Dinge, die wir vorhin schon besprochen haben. Schauen Sie sich nur die allgemeine Berichterstattung über die Ebola-Epidemie an. Man könnte meinen, sie grassiere in ganz Afrika, dabei ist sie nur in drei, vier westafrikanischen Ländern ausgebrochen. Afrika lässt sich nicht über einen Kamm scheren. Viele Leute wissen aber leider nicht, wie groß und unterschiedlich Afrika tatsächlich ist und dass es dort beispielsweise fast 400 verschiedene Sprachen gibt. Langsam aber sicher ändert sich das. Die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 war eine große Sache. Ich glaube, seither hat sich der Tourismus nach Südafrika um 4.000 Prozent gesteigert.

Lassen Sie uns bitte noch einmal auf Ihren Großvater zurückkommen. Haben Sie etwas von ihm für Ihr eigenes Leben übernommen?
Mandela: Eines der wichtigsten Dinge, die ich von ihm gelernt habe, ist die Notwendigkeit, jeden Tag über das, was passiert, zu reflektieren. Er hat sich immer mindestens eine halbe Stunde Zeit genommen, um in Ruhe darüber nachzudenken, wem er begegnet war oder was er gerade erlebt hatte und was das alles zu bedeuten hatte. Er war 27 Jahre im Gefängnis und hat so viel verpasst. Ich glaube, wenn er sich diese bewussten Zeiten zum Nachdenken nicht genommen hätte, wäre es leicht möglich gewesen, dass er irgendwann den Boden unter den Füßen verloren hätte. Dies habe ich von ihm übernommen. Auch ich nehme mir jeden Tag die Zeit, um über die Dinge, die mir passieren, in Ruhe nachzudenken.

Gibt es eine Weisheit von Nelson Mandela, die sie besonders mögen?
Mandela: Ich könnte sicher ein paar Zitate nennen, aber eines, das mir besonders gefällt, ist: „Ich bin kein Heiliger, außer Ihr seht in einem Heiligen einen Sünder, der es immer wieder versucht.“