"Reformation heißt die Welt hinterfragen..."

Margot Käßmann besucht erstmals den Europa-Park

Ob Martin Luther Humor hatte? „Natürlich“, entgegnet Margot Käßmann und verweist auf die „Tischgespräche“ des Reformators (1483-1546). „Da ging es sogar sehr derb zu“, erklärt die frühere hannoversche Landesbischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei einem Roundtable-Gespräch mit Journalisten im Europa-Park.

Eine andere Seite seines Frohsinns offenbare Luther im Kinderlied „Vom Himmel hoch, da komm ich her“. Und überhaupt, so Käßmann, habe Luther betont: „Das Evangelium kann man nur mit Humor predigen.“ Womit er aber sicher Probleme gehabt hätte, so die Theologin weiter, sei die heute zu beobachtende „Karnevalisierung des Lebens“ – eines Vergnügens um des Vergnügens willen. Zum ersten Mal besuchte die wohl bekannteste Vertreterin des deutschen Protestantismus den Europa-Park. Der Anlass: 500 Jahre Reformation. 2017, genau am 31. Oktober, wird es ein halbes Jahrtausend her sein, das Martin Luther seine 95 Thesen an eine Wittenberger Kirchentür genagelt oder sonst irgendwie in Umlauf gebracht und so eine der bedeutendsten Erneuerungen der christlichen Kirche eingeleitet hat. Als Reformationsbotschafterin der EKD wirbt Käßmann mit Besuchen rund um die Welt für dieses Jubiläum. Beim Roundtable betonte sie auch dessen welthistorische Bedeutung: „Reformation heißt, die Welt zu hinterfragen.“ Besonders durch seine Übersetzung der Bibel habe Luther eine Grundlage für kritisches Denken gelegt: „Und das ist heute noch hochaktuell gegenüber jedem Fundamentalismus.“

Jürgen Mack, Margot Käßmann und Mauritia Mack (v. l. n. r.)

Auch der Europa-Park erinnerte an die Reformation: Während zweiwöchiger „Luthertage“ war ein vielseitiges kulturelles Programm unter anderem mit einer Kunstausstellung und eben dem Besuch der Reformationsbotschafterin samt einem Vortrag vor 700 Zuhörern zu erleben. Der Europa-Park zeigte damit auch erneut, dass er sich gewiss nicht vor einem Urteil Martin Luthers zu fürchten hätte. Sicher bietet der Park erfolgreich viel Vergnügen – aber auch viele Angebote, die man nicht von vornherein mit einem Freizeitpark in Verbindung bringt. So gibt es bereits seit 2005 die von der badischen evangelischen Landeskirche und der Erzdiözese Freiburg gemeinsam getragene „Kirche im Europa-Park“. Wie sehr sie etabliert ist, berichtete beim Roundtable der evangelische Seelsorger Martin Lampeitl: „Vor kurzem rief jemand an, er wolle eine Taufe. Auf die Frage katholisch oder evangelisch antwortete er: Egal, wer grad Zeit hat.“

„Richtig berührt war ich von den Grimms Märchen“

Nach einem Rundgang mit Jürgen und Mauritia Mack zeigte sich Margot Käßmann beeindruckt vom Europa-Park. Insbesondere die aufwendig gestalteten Kulissen hatten es ihr angetan. „Richtig berührt war ich von den Grimms Märchen, die sonst leider etwas verloren gehen in unserer Gesellschaft“, sagte sie. „Das ist auch eine Kulturvermittlung.“ 2018, zu ihrem 60. Geburtstag, will sie in Rente gehen. Ob ihr das Loslassen nicht schwerfalle, wurde sie gefragt. „Nein“, so Käßmann. „Ich freue mich auf eine Zeit ohne feste Termine, in der ich mich beispielsweise mehr meinen drei Enkeln widmen kann. Ich werde sicher nicht stricken, aber Großmutter Käßmann im Europa-Park mit ihren Enkeln – das kann ich mir vorstellen.“

von Christoph Ertz

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