Jedes Rad ein Unikat

Handwerkskunst Fahrräder

In der Fertigungshalle des Fahrradherstellers Patria nahe Bielefeld geht es hoch her. Gerade ist eine Lieferung mit Stahlrohren angekommen, der Spediteur steht bereit, um fertige Räder einzuladen. In der einen Ecke schweißt ein Mann gerade Rohre aneinander, an einer anderen Stelle werden fertige Rahmen lackiert. Die Männer wuseln durch die Gänge, jeder der rund 20 Mitarbeiter folgt seiner eigenen Choreographie.

Die Firma Patria fertigt Fahrräder nach Maß und in Handarbeit – ideal für lange Radreisen.

Die Firma Kleinebenne, die die Patria-Räder herstellt, hat sich Handwerkskunst made in Germany auf die Fahnen geschrieben. Etwa zehn bis zwölf Räder verlassen pro Tag die kleine Manufaktur, jedes so individuell wie sein Besitzer. Denn wer sich für ein Patria-Fahrrad entscheidet, wird vorher eingehend auf dem „Velochecker“ vermessen. Die Händler überprüfen so unter anderem die Sitzhaltung und testen die Lenkerform, stellen Rahmen- und Sattelhöhe ein, um dann mittels eines bestimmten Zeichenprogramms das Rad zu entwerfen.

Beim Fahrradbau verwenden die Handwerker für die Verbindung der Stahlrohre eine altbewährte Technik: Muffen. „Das Rahmenlöten ist eine echte Kunst, die man sich über Jahre aneignen muss“, erklärt Waldemar Schitz, kaufmännischer Leiter bei Patria. Ähnlich wie im Automobilbau ist die Halle in einzelne Stationen unterteilt, jeder Handgriff sitzt, die Aufgaben sind klar gegliedert. Ein Mitarbeiter von Waldemar Schnitz ist für die Lackierung zuständig. Wenn Rahmen, Gepäckträger, Schutzbleche oder Gabeln bei ihm ankommen, sind sie bereits mit Stahlschrot bestrahlt und so von Lotresten befreit worden. Zunächst trägt er mit der Farbpistole in einer kleinen Kabine eine Epoxidgrundierung auf, die den Rahmen vor Rost schützt. Anschließend kommen die Teile in den Ofen, um bei 180 bis 200 Grad etwa 15 Minuten lang zu trocknen. Nach jedem Beschichtungs- und Einbrennvorgang kontrolliert der Arbeiter sorgfältig alles auf Einschlüsse. Sollte er hier Unebenheiten entdecken, heißt es noch einmal nachschleifen. Über den Rostschutz sprüht er die Poly-Coat-Pulverbeschichtung, die dem Fahrrad die nötige Widerstandsfähigkeit gegen Steinschlag bietet. Dann erst folgt die Farbschicht. Sie versiegelt er mit einem Poly-Coat- Klarlack. „Durch die Klarschicht lassen sich oberflächliche Kratzer leicht auspolieren“, sagt Schitz. Wer dem neuesten Trend folgen will, wählt einen matten Klarlack, was die Farbe in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. „Unsere Rahmen sind durch die vielen netzartigen Schichten extrem stoßfest und robust“, fügt Schitz hinzu. Die Pulverbeschichtung sei zudem umweltfreundlich, da lösemittelfrei. Die Reste ergeben einen Kunststoffklumpen, der entsprechend leicht entsorgt werden kann.

Modische Trends

 Ob klassisch oder ausgefallen – bei den Farben hat der Kunde die Qual der Wahl. Die vorbehandelten Rahmen werden zunächst grundiert und sind so vor Rost geschützt. Ein Klarlack versiegelt die Oberfläche.

19 Standardfarben stehen für die Kunden zur Wahl – von Stahl- oder Kobaltblau über Orange und Melonengelb bis hin zu Schiefergrau sowie Lasurfarbtöne mit Perleffekt. Diese Farben werden mit Flüssiglack lackiert, auch hier muss das Teil mit jeder neuen Schicht in den Trockner. Nach der Pulvergrundierung trägt der Lackierer Schwarz oder Weiß als Grundfarbe auf. Den Abschluss bilden der Flüssiglack und eine letzte Pulverklarschicht für den nötigen Schutz. Drei Werktage benötigt der Arbeiter für einen Schwung Rahmen. Sind viele Lasurtöne dabei, kann es auch länger dauern.

Ähnlich wie in der Automobilindustrie spielen auch auf dem Fahrradmarkt modische Trends eine große Rolle. „Marrakeschbraun haben wir erst vor einigen Jahren ins Programm aufgenommen, als BMW es auf den Markt brachte. Auf einmal mussten alle Fahrräder braun sein“, so Schitz. Der Silberanteil sei dagegen mittlerweile verschwindend gering, momentan wählten Kunden gerne Weiß mit schwarzen Komponenten. „Immer öfter setzen wir auch Sonderfarben um. Wir können im Prinzip jede RAL-Farbe lackieren und unsere Käufer damit experimentieren lassen“, erklärt Schitz. Was die Lacke und Zuliefererteile betrifft, lässt sich die Firma Kleinebenne nicht auf Experimente ein. Höchstens zwei Monteure sind mit dem Zusammenbau eines Fahrrades betraut, echte Handarbeit geht hier vor maschineller Fertigung. Nur so kann es sich die Firma leisten, 15 Jahre Garantie auf den Stahlrahmen zu gewähren – made in Germany ist hier eben wörtlich zu verstehen.

Infos:

Das erste Patria-Fahrrad wurde 1898 in Solingen gefertigt. Mittlerweile betreibt die Firma Kleinebenne GmbH mit Sitz in Leopoldshöhe bei Bielefeld die Manufaktur in dritter Generation. 20 Modelle hat Patria im Programm – vom sportlichen Mountainbike bis zum Elektrofahrrad wird alles von Hand nach Maß gefertigt. Pro Jahr verlassen etwa 2.500 Räder die Manufaktur in Richtung der über 110 Stützpunkthändler in Deutschland, Frankreich, der Schweiz und den Niederlanden.

Kleinebenne GmbH, Patria-Fahrräder, Hansastraße 22, 33818 Leopoldshöhe, Tel.: 05202-9838-0, www.patria.net

Text: Bernadette Winter
Fotos: Kleinebenne GmbH, iStockphoto