Zwischen Bollenhut und digitaler Welt

Gespräch mit dem Direktor des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe Eckart Köhne

Eckart Köhne über die Digitalisierung von mehr als 500.000 Exponaten und darüber, weshalb sich ein persönlicher Museumsbesuch durch nichts ersetzen lässt
Sprechen wir über das Museum von Morgen: Weshalb kann die beste digitale Präsentation einen persönlichen Museumsbesuch nicht ersetzen?
Eckart Köhne: Ein Original hat einfach eine andere Wertigkeit als eine Abbildung. Das löst Emotionen aus, die sich digital nicht einfangen lassen. Der Bildschirm bringt alles auf die gleiche Größe, ob riesiger Flügelaltar oder Pfeilspitze aus der Steinzeit. Unschätzbare Dokumente der kulturellen Vergangenheit, die hunderte oder zehntausende Jahre alt sind, muss man einfach im Original sehen. Der Besucher spürt die Aura. Ich bin auch dafür, dass man die Objekte – wo immer das möglich ist –anfassen kann oder zumindest nicht hinter Vitrinengläser stellt. In dieser unmittelbaren Nähe kann jeder die emotionale Kraft spüren. 
  
  
Und die andere Seite der Medaille: Wie können Sie die digitalen Medien dennoch optimal einsetzen?
Köhne: Wir müssen natürlich die Technik für uns nutzen. Heute im Zeitalter der digitalen Kommunikation muss das Museum auch im Web stattfinden. Mit unseren künftigen digitalen Angeboten sprechen wir gerade jüngere Menschen an.

Sie wollen den Besucher des Museums zum Nutzer machen, was bedeutet das?
Köhne: Wir wollen wie eine Bibliothek funktionieren. Wir planen einen Katalog der Sammlung, den jeder einsehen kann und aus dem sich die Besucher ihr Objekt „bestellen“ können. Darauf arbeiten wir hin. Bei 500.000 Sammlungsstücken wäre das schon attraktiv, auf jedes Exponat Zugriff zu haben. Die Umsetzung wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Wenn es soweit ist, kann zum Beispiel ein Heimatforscher, der eine Ortschronik schreibt, direkt auf unseren Bestand zugreifen, egal ob es das Marienbild, der römische Meilenstein oder Münzen sind. Oder ein Mitglied aus einer Trachtengruppe benötigt genaue Angaben zum Bollenhut – dann wird er sich auch den Bollenhut genau betrachten können. Auch für Schulklassen ist das Angebot interessant.

Wenn Sie insgesamt mehr als 500.000 Objekte im Badischen Landesmuseum haben, wie viele davon können Sie eigentlich ständig zeigen?
Köhne: Das sind maximal zwei bis drei Prozent des gesamten Bestandes. Wir haben derzeit rund 160.000 digital archiviert.

Sie sind seit drei Jahren Chef des Museums und haben viele Impulse gegeben. Was würden Sie einem Fremden mit zwei Sätzen sagen, weshalb der Besuch des Badischen Landesmuseums ein „Muss“ ist?
Köhne: Unser Museum im Karlsruher Schloss ist das Herz der fächerförmig angelegten Stadt. Unsere Sammlungen, wie die „Türkenbeute“ aus dem 17. Jahrhundert, sind weltweit einmalig. Wir beherbergen außerdem einzigartige Bestände aus der Antike – und der gesamte Schwarzwald findet sich bei uns: Die Ikonen, vom Bollenhut bis zur Kuckucksuhr, sehen Sie hier im Museum. Hier lernt man verstehen, was die Faszination des Schwarzwaldes ausmacht.
  

Was erwartet die Besucher ab September 2017?
Köhne: Zwei spannende Ausstellungen. Einmal ab Ende September eine sehr junge, frische Ausstellung mit dem Titel „Zweck fremd!?“, die von unseren wissenschaftlichen Volontären kommt: Sie zeigt Objekte, deren Zweck uns heute fremd geworden ist, die also nutzlos geworden sind oder deren Aussehen sich komplett verändert hat...

Das Museum ist unter anderem spezialisiert auf die Kultur des Schwarzwaldes.

… können Sie Beispiele nennen?
Köhne: Eine Armbrustwinde, eine sehr spezielle Mausefalle, altes Handwerkszeug zum Nähen, das nicht mehr gebraucht wird, und aus römischer Zeit ein kurioses Objekt, den Pentagondodekaeder. Seinen Zweck kennen wir bis heute nicht ...

Eckart Köhne: Nach dem Studium der Klassischen Archäologie in Bonn und Heidelberg war der gebürtige Karlsruher unter anderem beim Museumsverband Rheinland-Pfalz tätig und übernahm 2008 die Direktion des Rheinischen Landesmuseums Trier. 2011 wechselte er als Direktor und Geschäftsführer an das Historische Museum der Pfalz in Speyer. Seit 2014 ist er Direktor des Badischen Landesmuseums Karlsruhe und wurde zum Präsidenten des Deutschen Museumsbundes gewählt.

... das müssen Sie uns aber buchstabieren, wie heißt das?
Köhne: (ohne mit der Wimper zu zucken): ... Pentagondodekaeder! „Zweck fremd?!“ wird eine kleine, sehr schöne Ausstellung. Ab Mitte Dezember kommt dann eine umfangreiche Ausstellung über die Etrusker, diesem Volk aus Italien, das Rom so sehr geprägt hat. Die Etrusker haben sehr viele Kultureinflüsse aus Griechenland und Italien. Dieses Großprojekt ist eine großartige Kooperation mit dem italienischen Kultusministerium – ein Highlight in unserer Geschichte. Wir haben bei uns unter den staatlichen Museen des Landes den größten Schwerpunkt in der Archäologie des Mittelmeerraumes und daran knüpft die Ausstellung an. Solche Exponate haben schon die badischen Großherzöge gesammelt.

Was gefällt Ihnen im Europa-Park?
Köhne: Ich muss gestehen, dass ich die allerneuesten Achterbahnen nicht fahre. Aber es ist ein wunderbarer Ort, ein Platz für Familien par excellence. Und faszinierend ist der europäische Ansatz. Das haben wir gemeinsam. Wir sehen uns als Badisches Landesmuseum auch als Teil der europäischen Welt. Das Zusammengehörigkeitsgefühl Europas ist im Europa-Park wunderbar umgesetzt. Da steht ein Anspruch dahinter. Und es gibt die Nähe zu Frankreich. Der Europa-Park basiert auf einem sehr sympathischen Grundgedanken. Das imponiert mir. Damit ist er mehr als reine Unterhaltung.

Lässt sich von der Strategie dort etwas auf Ihr Museum übertragen?
Köhne: Wir können sehr viel von der Familienfreundlichkeit im Europa-Park lernen. Dieser Park ist sehr nah an seinem Publikum.

Geben Sie unseren Lesern einen besonderen Tipp fürs Badische Landesmuseum?
Köhne: Der berühmte Karlsruher Schlossturm, von dem aus man ins ganze Land schauen kann – vom Schwarzwald über die Pfälzer Berge bis zu den Vogesen. Mit dem Turmaufstieg erhält man den Eintritt in unser Filmerlebnis „Ich, Karl Wilhelm!“. Eine Medieninstallation über den Markgrafen. Das lohnt sich und ist wirklich ein Erlebnis. Die Turmbesteigung kann man auch unabhängig vom Museumsbesuch buchen.

Das Gespräch führte Horst Koppelstätter

Weitere Informationen:
www.landesmuseum.de