Mir ist nicht bange um die Zukunft der Kirche

Gespräch mit dem Freiburger Erzbischof Stephan Burger über das Engagement junger Menschen, Papst Franziskus, den Umgang mit Flüchtlingen und die Präsenz der Kirche im Europa-Park

von Horst Koppelstätter

     

Wir sind heute im Europa-Park. Wie kommt die Kirche noch besser zu den Menschen? Was verändert sich in der Kirche? Wie erfahren die Menschen Kirche?
Stephan Burger: Hier im Europa-Park sind viele Besucher, die Kirche ist präsent und es entsteht ein Dialog. Manche Menschen würden wir sonst nicht erreichen.

   
Papst Franziskus steht für eine große Bescheidenheit, was können wir von ihm lernen und wie haben Sie ihn persönlich erlebt?
Burger: Bei Papst Franziskus wird sehr deutlich, dass er sein Gegenüber als Mensch wahrnimmt und auf ihn zugeht, ohne irgendwelche Vorleistungen zu er- warten. Ich erlebe ihn als einen sehr aufmerksamen Zuhörer und wertschätzenden Gesprächspartner, der sich interessiert für die Themen und Fragen, die einen selbst bewegen.

   
Der Papst hat dazu aufgerufen, Flüchtlingen zu helfen. Wie sollen wir mit dieser großen Zahl an Flüchtlingen umgehen?
Burger: Das ist ein ureigenes Anliegen der Heiligen Schrift, dem Nächsten zu helfen, Fremde und Obdachlose aufzunehmen. Sicherlich gibt es auch Schwierigkeiten mit Sprachproblemen und Spannungen zwischen den verschiedenen Kulturen. Diese Punkte dürfen aber nie so stark sein, dass sie unser christliches Handeln aushebeln. Es geht um Menschen in Notsituationen und da sind wir gefordert.

Welche Werte gehen im Alltag verloren?
Burger: Zum einen bringt es das Wirtschaftssystem mit sich, dass die Menschen Geld verdienen, Wohlstand erarbeiten und erhalten wollen. Es gibt aber ein weltweites Gefälle zwischen den reichen und den armen Ländern. Das habe ich bei meinem Besuch im Amazonasgebiet kurz vor Weihnachten 2015 hautnah erlebt. Wir in Europa leben auch ein Stück weit auf Kosten anderer Länder. Diese Spannung ist da. Es gibt auch Ansätze einer Ellenbogengesellschaft, andererseits spüren wir, wie viele Menschen sich für andere engagieren. Das ist eine sehr schöne Entwicklung. Der menschliche Umgang miteinander und das offene Ohr für Sorgen und Anliegen sind nicht verloren gegangen.

Wenn wir über Werte und Gesellschaft reden, was ist mit den Familien? Wie gestaltet sich familiäres Leben überhaupt?
Burger: Hier im Europa-Park ist es möglich, dass eine Familie gemeinsam etwas erlebt, miteinander spricht, gemeinsam Freude empfindet. Wie oft entwickelt sich auf Grund unserer alltäglichen Struktur ein Nebeneinanderher in den Familien. Der Vater und die Mutter sind berufstätig, die Kinder sitzen vor dem Computer oder Fernseher oder gehen in den Verein. Das Miteinander ist das große Geschenk, das Sinnstiftende, das wir notwendig brauchen. Familie lebt von gemeinsamer Zeit.

   

Wie schätzen Sie das Engagement des Europa-Park ein?
Burger: Der Europa-Park bräuchte keine Seelsorger, keine Kapellen, keinen religiösen Anspruch und würde dennoch gut existieren. Aber der Inhaberfamilie ist es wichtig: „Für uns gehören Religion und Glaube zum alltäglichen Leben.“ Solch ein Denken prägt unsere Familienkultur, prägt unser Leben und unser Handeln! Dafür bin ich dankbar!

 Der Erzbischof mit Europa- Park-Chef Roland Mack. Freizeitspaß und Religion sind für beide keine Gegensätze.

Wie ist die Rückmeldung der Menschen dazu, die bei Ihnen ankommt?
Burger: Es gibt durchaus auch kritische Fragen: Gehen Spaß und religiöse Aktionen überhaupt zusammen? Wer eine Antwort will, muss hierher kommen und es selbst erleben und erfahren. Es ist nichts Aufgesetztes, sondern es kommt aus dem Herzen mit Überzeugung. Das wird auch angenommen. Der Europa-Park-Besucher muss ja nicht gleich ein religiöser Mensch werden, aber er merkt, hier gehört das dazu. Das finde ich sehr schön. Das prägt die Stimmung und hat seine Wirkung.

   

Gibt es einen Ort im Schwarzwald, wo Sie besonders gerne hinkommen?
Burger: Der Schwarzwald ist meine Heimat. Hier sind meine Wurzeln. Dass ich den Menschenschlag kenne, hilft mir bei meiner Aufgabe als Bischof. St. Peter, das ehemalige Kloster und Priesterseminar, ist sehr prägend für mich. Der Blick in die weite Schwarzwaldlandschaft hat eine starke Wirkung für mich. Aber auch Burkheim am Kaiserstuhl mit den einzigartigen Weinbergen ist mir sehr ans Herz gewachsen.

   

Wie ist es mit dem Nachwuchs. Sie sind heute hier bei einer Ministranten-Tagung. Findet sich noch Nachwuchs und wie ist es bei den Priestern?
Burger: Das bedrückt mich schon, dass wir nicht mehr genügend Priester haben. Trotz alledem ist das Engagement in den Pfarreien ausgesprochen hoch. Ich behaupte sogar: Es haben sich noch nie so viele Menschen in der Kirche engagiert wie heute. Vor einem Jahr haben wir mehr als 50.000 Messdiener auf dem Petersplatz gehabt. Da ist ein riesiges Potenzial da bei unseren jungen Menschen, die sich für Glaube und Kirche interessieren und die sich nicht dafür schämen. Die Kirche lebt. Mir ist insgesamt um die Kirche nicht bange.

Als Erzbischof tragen Sie große Verantwortung, was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie erfahren haben, dass Sie dieses Amt übernehmen sollen?
Burger: Meine Gedanken ähnelten einer Achterbahnfahrt – mit allen Höhen, Tiefen und der zentralen Frage: Schaffe ich das?

   
Wo sehen Sie die größte Herausforderung für Ihre Aufgabe als Freiburger Erzbischof?
Burger: Mir liegt mit Blick auf meinen bischöflichen Leitspruch „Christus in cordibus“ – „Christus in unseren Herzen“ – daran, dass möglichst viele Menschen den Glauben an Jesus Christus neu als Kraftquelle entdecken. Wir sollten mehr über Gott und seine froh machende Botschaft reden als über Strukturen.

   

Erzbischof Stephan Burger

  
1962 in Freiburg geboren, studierte Theologie und Philosophie in Freiburg und München.
1990 erhielt er die Priesterweihe. Von 1995 bis 2006 war er Pfarrer in St. Leon-Rot, ab 2002
Defensor und Promotor am erzbischöflichen Offizialat. Nach dem Studium des Kanonischen
Rechts in Münster wurde er 2007 Offizial des Metropolitangerichts Freiburg im Breisgau.
2013 wurde er zum Domkapitular ernannt. Seit Juni 2014 ist er Erzbischof von Freiburg.