"Marktforschung" 1975

Gespräch mit den ersten drei Mitarbeitern des Europa-Park: Roland und Marianne Mack, Michael Scholz

von Horst Koppelstätter

  

»Es war eine Intuition, dass es der Name Europa-Park geworden ist.
Keiner konnte wirklich ahnen, was aus Europa 40 Jahre später geworden ist.«

   

   

Können Sie sich noch an den 12. Juli 1975, den ersten regulären Tag im Europa-Park erinnern? Gab es lange Schlangen an der Kasse?

Marianne Mack: Wir waren am ersten Tag total gespannt auf die ersten Besucher. Die gesamte Familie stand am Eingang und hat gewartet, ob überhaupt jemand kommt ...


... und kam jemand?

Roland Mack: ... ja, über 4.000, das war gleich ein guter Tag.

Marianne Mack: Die Besucher standen Schlange und wir wurden regelrecht überrannt. Ich saß an der Kasse und Frau Tiemann, eine befreundete erfahrene Schaustellerfrau, hat mir gute Tipps gegeben, sonst wäre das nicht gegangen. Lange war ich unter der Woche allein an der Kasse und nur an Wochenenden und in den Ferienzeiten hatte ich Unterstützung von meiner Schwiegermutter und auch Frau Tiemann.

   

„Es war ein genialer Start“, freut sich Roland Mack.

Roland Mack

Und wie hoch war der Eintrittspreis?

Roland Mack: Erwachsene zahlten sechs Mark, Kinder fünf.

Michael Scholz: Ich musste immer viel Kleingeld auf der Sparkasse holen zum Rausgeben. Es ging richtig hektisch zu, da sind schon die Scheine auf dem Boden gelegen, bei 4.000 Leuten. Am Samstag hat es noch geregnet bei der offiziellen Eröffnung für die geladenen Gäste und am Sonntag war ein wunderschöner Sommertag. Die Leute strömten vorne rein und ich habe hinten noch das letzte Stück der Straße geteert ...

Marianne Mack: Damals wurde jeder gebraucht, der Hände und Füße hatte. Ich habe als Ehefrau natürlich überall geholfen, wo ich gebraucht wurde. Unser kleines Büro war Sitz von Information, Marketing, Hauptkasse, Buchhaltung, Sekretariat, Roland Mack, Gastronomie ... alles in einem Zimmer, alles sehr bescheiden und heute undenkbar.

Michael Scholz: Eigentlich ging ja alles hier schon im Mai 1973 los. Zuerst habe ich in dem alten Kiosk vom Vorgänger gewohnt, das war sehr karg. Erst später ist alles ausgebaut worden. Aus dem kleinen Zimmer mit Toilette ist später das Büro von Roland Mack entstanden und auch die Buchhaltung wurde angesiedelt. Kurz vor Eröffnung kam Kunigunde Baumann für das Sekretariat, wir saßen uns an zwei Schreibtischen gegenüber. Und Roland Mack hat sich hinten im Raum eingerichtet. Im Mai kam noch Gastronomiechef Heinz Schmidt dazu.

Frau Mack, Sie haben die Kasse verwaltet und angeblich wurde die Geldkiste schon mal über Nacht unters Bett geschoben ...

Marianne Mack: Das war sehr unkompliziert. Wir hatten keinen Safe. Abends haben wir die Münzen von Hand in Papier gerollt und in eine Kiste gepackt. Vor zehn, halb elf sind wir abends selten rausgekommen. Oft sind wir noch ins Gasthaus „Heckenrose“ in Ringsheim, da lag der Geldkoffer im Auto, danach kamen die Einnahmen bei den Schwiegereltern unters Bett und am nächsten Morgen gleich um acht Uhr zur Bank. Da hatte keiner Bedenken ...

Hat Sie der Erfolg der ersten Tage überrascht?

Roland Mack: Eigentlich schon. Es hatte keiner so schnell mit so vielen Leuten gerechnet. Vielleicht haben wir es unterbewusst gehofft. Baulich war ja alles so knapp ausgegangen, dass wir ja erst im Juli öffnen konnten. Letztlich war das dann eine glückliche Fügung: Mitten in der Ferienzeit kamen sehr viele Menschen. Wir hatten im ersten halben Jahr 250.000 Besucher. Das war schon ein toller Start in eine halben Saison.

Gab es denn auch mal die Sorge, dass der Besucherstrom eines Tages wieder versiegen könnte?

Roland Mack: Vor Eröffnung ja, als dann so viele Leute kamen und auch begeistert waren, hatten wir diese Sorgen nicht mehr. Als die Saison 1975 vorbei war, waren wir sehr zuversichtlich. Mein Vater und ich sind aufs Oktoberfest nach München gefahren und haben mit dem Amerikaner Jim Tibor wegen einer Delfinshow verhandelt, die wir dann 1976 eingeführt haben. Wir haben sofort ein Delfinarium gebaut und gespürt: Jetzt heißt es, weiter zu investieren. In der ersten vollen Saison 1976 waren es schon 630.000 Besucher.

Sie haben sich zuvor die Besucherzahlen vom Karlsruher Zoo angeschaut ...

Roland Mack: Ja und auch den Basler Zoo und die Vogtsbauernhöfe, die damals auch noch um die 400.000 Besucher hatten. Ich dachte, wenn ein Zoo weit über eine halbe Million Besucher im Jahr hat, müsste das bei uns mit dem Familienpark auch klappen. Wir haben natürlich auch Phantasialand, Holiday-Park und Tripsdrill angeschaut. Unser Start war schon recht hausbacken, ohne Marktuntersuchung, einfach vieles aus dem Bauch heraus.

»... alle Verwandten haben mitgeholfen, haben Würstle verkauft oder andere Aufgaben übernommen,
der Opa hat Bier gezapft, da wussten wir immer, wie die Stimmung war. «

(Marianne Mack)

 Marianne Mack half überall, wo sie gebraucht wurde.

Wie viele Besucher waren das ungefähr am Tag? Wie viele sind es heute im Schnitt?

Roland Mack: Wir hatten damals rund 3.000 Besucher täglich und heute sind es durchschnittlich 25.000.


Wie viele Mitarbeiter gab es 1975?

Michael Scholz: Rund 60 Mitarbeiter plus 40 in der Gastronomie, es war ja schon das Seerestaurant von Anfang an.


Wann war eigentlich der legendäre Flug, auf dem Sie entschieden haben, einen Park zu bauen?

Roland Mack: Das war Ende der 60er Jahre, als ich mit meinem Vater Kunden von unserem Mutterbetrieb Mack Waldkirch in den USA 

besuchte. Da hatten wir auf dem Rückflug beide den Gedanken, einen solchen Park in Deutschland zu bauen und 1972 haben wir dann, nachdem die Standorte Breisach und Neuenburg gescheitert waren, die Entscheidung für Rust getroffen.

   

Und Sie, Herr Scholz, sind dann 1974 auf das Gelände gezogen?

Michael Scholz: Das war keine Frage, es musste ja losgehen. Die erste große Arbeit war das Verlegen der Gleise für die Bahn im Park, dann kam die erste große Halle. Der Senior Franz Mack, der ja noch gleichzeitig den Betrieb in Waldkirch leitete, saß jeden Abend und an den Wochenenden am Reißbrett und plante. Das Seerestaurant wurde mit zwei Bauunternehmen in Rust umgesetzt. Freigänger aus dem Gefängnis Waldkirch haben als Bauarbeiter und Handwerker geholfen. Ich habe die morgens um fünf Uhr am Bus abgeholt. Ihren Lohn haben wir an den Staat bezahlt. Von uns haben sie ein Mittagessen, zu trinken und Tabak bekommen

   

Warum hat man Freigänger aus dem Gefängnis gebraucht, gab es nicht genügend andere Arbeiter auf dem Markt?

Michael Scholz: Das war einfach preiswerter. Ich erinnere mich, da waren tolle Handwerker dabei, die gute Arbeit geleistet haben.

   

Die Fläche des Europa-Park umfasst ja heute 130 Hektar, wie viel Fläche war 1975 bebaut?

Roland Mack: 15 Hektar.

»Eigentlich ging ja alles hier schon im Mai 1973 los. Zuerst habe ich in dem alten Kiosk
vom Vorgänger gewohnt, das war sehr karg.«
 
(Michael Scholz)

 Michael Scholz wohnt sogar im Park.

Und wie lange hat es gedauert den Park zu bauen?

Roland Mack: Zwei Jahre – mit Eisenbahn, Monza- Piste, Mississippi-Dampfer, Wichtelbahn, Seerestau- rant, Cafe, Imbiss, Tiergehege und Märchenallee.Übrigens war die Finanzierung nicht ganz einfach, es war eine Hochzinsphase mit zwölf, 13 Prozent Zins und wir waren froh, dass viele aus unserem Familien- und Freundeskreis an uns geglaubt und privat investiert haben. Darauf waren wir angewiesen. Es war auch wirklich nicht einfach, die Banken von unserem Projekt zu überzeugen. Letztlich war es die Volksbank, die an uns geglaubt hat. Es mussten sich mehrere Volksbanken zusammenschließen um die Kredithöhe zu bewältigen. Aufgrund dieses Vertrauens sind wir den Volksbanken Lahr und Waldkirch bis heute treu geblieben. 

Andere Großbanken wollten uns überhaupt nicht nehmen. Mein Vater hat alles, was er hatte – selbst das Privathaus – als Sicherheiten eingebracht. Das Gesamtvolumen, den Park zu bauen, war rund 20 Millionen D-Mark, heute kostet eine einzelne Attraktion oft das Vielfache davon, „Artur – Im Königreich der Minimoys“ hat fast 30 Millionen Euro gekostet.


Gab es auch mal Probleme?

Roland Mack: Es gab viele Probleme im Vorfeld mit den behördlichen Genehmigungen. Zum Glück war vorher ein kleiner Tierpark auf dem Gelände, der baurechtlich einiges erleichtert hatte. Es gab unendlich viele Einsprüche, Bürgerinitiativen. Der damalige Bürgermeister von Rust, Erich Spoth, hat uns unglaublich geholfen, hat mit mir alle Behörden abgeklappert von der Naturschutzbehörde bis zum Straßenbau- und Wasserwirtschaftsamt. Er hatte zum Glück die Chance für Rust erkannt. Spoth war sehr angesehen als Bürgermeister, das hat uns sehr geholfen. Ein exzellenter Fachmann und ein außergewöhnlicher, liebenswerter Mensch. Er hatte damals schon eine Bürgerversammlung einberufen und für den Europa-Park mit dem Slogan gekämpft „ Rust wird aus dem Dornröschenschlaf erwachen“. Spoth war seiner Zeit voraus.


Er hat auch clever ausgehandelt, dass die Ruster freien Eintritt bekommen in den Europa-Park ...

Roland Mack: ... ja, wir haben freien Eintritt gewährt für alle Ruster bis heute. Das ist ein riesiges Entgegenkommen. Heute sind es 22.000 Eintritte im Jahr.

Wie haben Sie eigentlich damals getestet, ob die Besucher Spaß im Park hatten?

Michael Scholz: Vor Ort. Das haben wir gesehen ...

Marianne Mack: ... alle Verwandten haben mitgeholfen, haben Würstle verkauft oder andere Aufgaben übernommen. Der Opa hat Bier gezapft, da wussten wir immer, wie die Stimmung war. Mein Vater war einer der ersten, der schon früh gesagt hat, wir bekommen bald eine Million Besucher.

Und wann kamen dann eine Million Menschen?

Roland Mack: 1980.

War es einfach, Mitarbeiter zu finden?

Marianne Mack: Es war zunächst eher schwierig jemanden zu finden, der auch bereit war, am Wochenende zu arbeiten. Mittlerweile gibt es damit überhaupt keine Probleme. Am Anfang musste erst mal alles funktionieren, die vielen Fahrgeschäfte und Bahnen. Erst später kam das Thema Mitarbeiter, Ausbildung, Erscheinungsbild mit einheitlicher Kleidung in das Blickfeld. Das mussten wir alles aufbauen.


Wie war das damals mit der Herzlichkeit und Freundlichkeit, wie war die Dienstleistungsbereitschaft der Mitarbeiter?

Roland Mack: Wir haben von Anfang an auf sehr große Sauberkeit im Park geachtet und die Mitarbeiter waren sehr freundlich vom ersten Tag an. Wir sind zwar Ingenieure und Techniker von Haus aus, haben aber sehr schnell gemerkt, dass Service und Freundlichkeit ein Schlüssel zum Erfolg sind.

Michael Scholz: Da war Roland Mack das beste Vorbild, er hat das vorgelebt jeden Tag! Und Marianne Mack hat von Anfang an die neue Firmenuniform getragen, um Vorbild zu sein.

Marianne Mack: Es war auch die Kombination von Vater und Sohn mit unterschiedlichen Fähigkeiten, die sich perfekt ergänzt haben. Roland kann sehr gut mit Menschen umgehen und war der perfekte Botschafter für den Park. Immer wieder hat er Politikern, Wirtschaftsleuten und Journalisten erzählt, was der Europa-Park ist und oft hat damals der eine oder andere von ihnen nur höflich ja gesagt und freundlich gelächelt, aber mein Mann ist immer dran geblieben, hat nie aufgegeben. Es war sein Fleiß und auch der Glaube an das Projekt.