Originale aus aller Welt

Rudi Neumeier sorgt seit Jahrzehnten für das ganz besondere Flair in den Themenhotels

Wenn er durch die Hotels im Europa-Park läuft, schüttelt Rudi Neumeier jedem die Hand, ob Hotelmanager, Kellner, Chefkoch oder Rezeptionist. Er kennt die Hotels wie seine Westentasche und alle fünf Themenhotels strahlen dank Rudi Neumeier ihre einzigartige, authentische Atmosphäre aus. Der Bayer hat dafür gesorgt, dass jedes Detail stimmt. Er plante das Konzept und realisierte die komplette Inneneinrichtung. Dafür bereiste er die jeweiligen Länder und kaufte Antiquitäten, die den Charme der stilvollen Einrichtungen unterstreichen. Sogar die Idee zu den Hotels war durch ihn initiiert. „Als ich Roland Mack damals gesagt habe, bei den Besucherzahlen brauchst Du ein eigenes Hotel, hat er leicht irritiert geantwortet, er sei Maschinenbauer und kein Hotelier“, erinnert sich Rudi Neumeier schmunzelnd. Einige Jahre später wurde der Europa-Park-Chef „Hotelier des Jahres“.

Bei dem 2012 eröffneten, jüngsten Hotelkomplex Bell Rock hat Rudi Neumeier mit seiner Firma nicht nur die Inneneinrichtung übernommen, sondern auch die Außenfassade gestaltet. „Ich dachte gleich an Neuengland. Jedes Hotel im Europa-Park hat ein Wahrzeichen. Der Leuchtturm ist so symbolträchtig, das war schnell unser Favorit. Wir haben Modelle der maritimen Zimmer gebaut und die Familie Mack kam zu uns nach Holzkirchen, um sie anzuschauen“, erzählt Neumeier. Gemeinsam mit seinem Sohn Martin, der seit 2008 als Geschäftsführer mit in der Firma arbeitet, reiste Rudi nach Boston, besuchte Möbelmessen, ein Shaker-Museum und kaufte vor Ort historisches Holz für die Saint Louis Bar.

„Ich habe vor vielen Jahren ein Buch über die religiöse Gruppe der Shaker gelesen und seitdem bin ich großer Fan ihrer schlichten und eleganten Möbel. Die Shaker waren gute Handwerker, die tolle Kommoden, Stühle und Schränke aus Kirschbaum oder Zwetschge gefühlvoll gefertigt haben“, schwärmt Neumeier. Aus insgesamt 15 Ländern hat er Materialien, Einrichtungsgegenstände und Dekorationen geordert, darunter Originalteile eines ehemaligen Überseedampfers, antike englische Uhren und Altholz von kanadischen Scheunen. Die Etagenbetten in Schiffsrumpfform kommen bei den Kindern besonders gut an.

Hier weht in allen Ecken der Entdeckergeist


Maritimes Blau, Schiffsblankenböden und moderne Technik: Hier weht in allen Ecken der Entdeckergeist. Wenn Rudi Neumeier an den zahlreichen originalen Einzelstücken, die überall in jedem Hotel zu entdecken sind, vorbeiläuft, beginnen seine Augen zu leuchten. Und zu allen hat der 75-Jährige eine Geschichte zu erzählen. Vieles hat er persönlich in den Europa-Park gebracht, mit feinem Gespür aufgestöbert bei Antiquitätenhändlern und auf Messen oder ergattert, wenn alte Klöster oder Häuser in Spanien, Italien oder Portugal abgerissen wurden.

1987 hat Rudi Neumeier das Privathaus von Roland Mack eingerichtet, seither sind beide befreundet und schätzen einander. Der Autodidakt Neumeier ist großer Spanienfan, er liebt besonders die Landschaft und Gastfreundlichkeit von La Mancha und Andalusien sowie den wilderen Norden. Er genießt die spanische Küche: „Rebhuhn müssen Sie probieren“, rät er. Zur „Ferria“ lud er Familie Mack nach Sevilla ein und übernachtete mit ihnen in einem der stilechten Paradores-Hotels. „Die Augen der Macks haben gefunkelt“, erinnert sich Neumeier. Per Handschlag haben sie damals das erste Hotel vereinbart.

Originalfiguren oder uralte Altargitter gehören zu den besonderen Details, die Rudi Neumeier aufspürt

40.000 alte Dachziegel importierte Rudi Neumeier, die er fahrenden Händlern abgekauft hatte, die gerade alte Fincas abdeckten. Bei zahlreichen Spanienreisen erwarb er peu à peu die vielen, einzigartigen und authentischen Stücke und schmückte damit das erste Hotel im Europa-Park, das „El Andaluz“. In Toledo hatte er einen guten Händler aufgetan, der ihm weiterhalf. Für den Treppenaufgang verwendete er spanische Steinböden und andalusische Fließen. Ein Holzportal aus dem Mittelalter und ein echtes schmiedeeisernes Altargitter sorgen für einzigartigen Flair.

"Da dachte ich, nun ist er endgültig übergeschnappt“

Als Rudi Neumeier einmal in Portugal unterwegs war, besuchte er das zum Weltkulturerbe ernannte Hieronymuskloster in Lissabon und war so begeistert, dass er direkt zum Handy griff und Roland Mack anrief: „Das musst Du Dir anschauen!“ Eine Stadtrundfahrt in Lissabon sowie der Besuch weiterer portugiesischer Klöster ließ den Entschluss reifen, das Themenhotel „Santa Isabel“ im Stile eines portugiesischen Klosters zu bauen, mit Bibliothek, Kapelle, Apotheke und Klostergarten. Die berühmten Azulejos-Fliesen mit handgemalten Motiven finden sich am Boden und den Wänden. Echte Heiligenfiguren zieren die Räume und im überdachten Kräutergarten hängt altes Werkzeug, das die Bauern auf dem Feld nutzten. „Damals kamen riesige Kisten mit lauter alten, verstaubten Reagenzgläsern bei uns zu Hause per Post an. Da dachte ich, nun ist er endgültig übergeschnappt“, erzählt Sohn Martin. Doch Vater Rudi hat unbeirrt alle gesäubert und nun stehen sie in der blau angestrichenen Apotheke in Regalen und wirken, als seien sie gestern noch benutzt worden.

Schon immer war das Haus der Familie Neumeier in Holzkirchen voller Sammlerstücke und antiker Möbel. Manchmal war auch eine Wohnzimmerwand plötzlich leer, da Rudi Neumeier eben genau diesen Schrank für einen Kunden brauchte. Schon als Schuljunge bewies er Geschmack: „Für meine Weihnachtskrippe habe ich den ersten Preis erhalten“, erinnert er sich stolz. Bei einem Kunsthändler, dem er half, die Messestände auf und ab zu bauen, lernte er billige Repliken von echten Schätzen zu unterscheiden und verfeinerte sein gutes Gespür. Unermüdlich war er mit großen Transporten in Europa unterwegs, was zu Beginn, als es noch an jeder Grenze kontrollierende Zöllner gab, nicht immer ganz einfach war. Jede Urlaubsreise nach Südtirol zum Skifahren wurde mit Besuchen bei Händlern verbunden und Familie Neumeier kehrte mit vollem Wagen zurück. „Mein Vater hat mich von Anfang an immer überall hin mitgenommen. An der Grenze hat er mich so dolle gezwickt, dass die Zöllner ihn mit dem weinenden kleinen Jungen durchwinkten“, lacht Martin Neumeier verschmitzt.

Geht eine Baustelle los, ist Rudi Neumeier immer selbst vor Ort. Meist wird alles in kurzer Zeit realisiert. Die zwei Jahre von der Planung bis zur Eröffnung des jeweiligen Hotels vergehen wie im Flug, vor allem, wenn so viele Einzelheiten zu realisieren sind. Fleiß und Sparsamkeit gehören zu seinen größten Tugenden. Und auch von Rückschlägen lässt sich Rudi Neumeier nicht einschüchtern. 1973 hat er seine Firma gegründet, zehn Jahre später, als gerade alles gut aufgebaut war, stürzte die Decke der Lagerhalle unter einer Schneelast ein. Obwohl sehr großer Schaden entstand, resignierte er nicht, sondern arbeitete unermüdlich weiter.


Nicht nur im  „Leonardo da Vinci-Zimmer“ im Hotel Colosseo fühlt man sich wie in Italien

Auch für das „Colosseo“ im Stile Italiens ließ sich Neumeier etwas Besonderes einfallen: Neben dem großen, beeindruckenden Colosseo-Bogen und jeder Menge Marmor aus Carrara sind vor allem die gemalten Fresken und die Farben ein Highlight. „Ich habe in Italien den Maler Roberto Radici engagiert und hergeholt. Er kann wunderbar Fresken und Porträts malen“, erzählt Neumeier. Einen Friseursalon aus dem Jahre 1913 kaufte Neumeier in Verona und überzeugte Roland Mack davon, diesen im „Colosseo“ einzubauen. Oben hängt das schmiedeeiserne Originalschild „Il barbiere“, davor steht ein echter Friseurstuhl und drinnen erwarten bestens ausgebildete Friseure die Kundschaft. Gefragt, was er noch gerne realisieren möchte, überlegt Rudi Neumeier keine Sekunde und antwortet wie aus der Pistole geschossen: „Na, das nächste Hotel natürlich!“

Rudi's Stammtisch und ein Storchennest

Rudi Neumeier ist mit seinem Werk zufrieden. Gerne streift er durch die Hotels im Europa-Park und freut sich nach wie vor an den vielen Details. Einen neuen Lieblingsplatz im Freizeitpark hat er auch: die Zirbelstuben im Seerestaurant im österreicherischen Themenbereich. Hier gibt es „Rudi’s Stammtisch“ und viele Bilder an der Wand zeugen von der langen Freundschaft zwischen ihm und der Familie Mack. Natürlich gab es auch mal Meinungsverschiedenheiten. „Klar haben wir auch gestritten“, gibt der Bayer zu. Zum Beispiel wollte er unbedingt ein Storchennest auf die Spitze des „Santa Isabel“, doch Roland Mack war von der Idee gar nicht begeistert und glaubte auch nicht an den Erfolg. „Wenn kein Storch kommt, Rudi, dann setzt Du Dich rein“, drohte der Europa-Park-Chef. Drei Jahre hat der Chef-Einrichter gebibbert, bevor sich endlich ein Storch niederließ.
Ute Bauermeister
Quelle: YouTube