Emotion schlägt Technik

Zukunft der Freizeitparks / Konferenz des Weltbranchenverbands TEA im Europa-Park / Technik-Revolution bereits auf dem Weg / Überraschendes Fazit

Der Besucher kommt in einen Raum, der Raum verändert sich vor seinen Augen. Plötzlich steht der Besucher auf einem hohen, schneebedeckten Berg. Oder er schwebt durchs All. Oder auf einmal sind Tänzer da, aus dem Nichts, der Besucher feiert in seiner ganz persönlichen Disco. In Zukunft werden Freizeitparks mehr und mehr interaktiv und multisensorisch. Experten gehen davon aus, dass sich die interaktive Technologie so entwickeln wird, dass Gäste in Verbindung zu fiktionalen Charakteren und Geschichten treten – dass sie in ganz individuelle Handlungsstränge eintauchen, als Star im eigenen Film. „Unser Ziel ist es, die Technik unsichtbar zu machen“, erklärt Paul Osterhout, Vize-Direktor von „Universal Parks & Resorts“, einer Tochtergesellschaft des amerikanischen Unterhaltungskonzerns Comcast NBC Universal. „Sich verändernde und mit dem Gast nach seinen Wünschen interagierende Räume wird es wahrscheinlich noch zu unseren Lebzeiten geben.“ Seit 30 Jahren arbeitet Osterhout in der Freizeitpark- und Attraktionsbranche. Unlängst war er im Europa-Park, als Teilnehmer einer Konferenz des Weltbranchenverbands TEA (Themed Entertainment Association).

Rund 130 internationale Teilnehmer aus 17 Ländern, darunter Geschäftsführer von Freizeit- und Wasserparks, Designer, Architekten und Ingenieure, warfen dabei Blicke in die Zukunft der Freizeitpark-Branche. Besonders Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR ) verändern schon heute Themenparks weltweit – Trends, die stark vom Europa-Park gesetzt wurden. Dabei geht es darum, in virtuelle Welten einzutauchen, oder, dass die reale Welt unmittelbar mit virtuellen Inhalten angereichert wird. In Guiyang, Südchina, hat bereits ein großer Virtual-Reality- Themenpark eröffnet. Die Besucher, ausgestattet mit VRHelmen und Headsets, erleben unter anderem eine virtuelle Tour durch das Sonnensystem, voll mit Science-Fiction- Fahrgeschäften wie der Erkundung einer „Alienbasis“, einer Science-Fiction-Achterbahn und einer Reise mit einem fiktiven Raumschiff. Auch im VR-Themenpark „The Void“ in Salt Lake City gehen die Besucher unter anderem in Manier der Star-Wars-Saga auf Sternenreise. Sie tragen dabei auch haptische Anzüge und Handschuhe, die verschiedene sensorische Erfahrungen ermöglichen.

„Haptik ist ebenfalls ein großes Zukunftsthema“, waren sich die Experten bei der von Chris Lange, Creative Director des Europa-Park, organisierten TEA-Konferenz einig. Durch Sensoren-gespickte Kleidungsstücke wird es möglich, die virtuellen Erfahrungen mit dem Tastsinn und damit um Reize wie Hitze, Kälte oder Feuchtigkeit zu erweitern beziehungsweise miteinander zu verbinden. „Ebenfalls viele Potenziale bieten die immensen Fortschritte in der Projektionstechnik“, erklärt David Willrich, Präsident der TEA aus England. „Digitale Projektionen werden immer besser und günstiger, zunehmend lebendigere und interessante Anwendungen entstehen daraus.“ Außerdem steigern neuartige Soundsysteme die Erlebnisse. In den USA gibt es bereits Anlagen, mit denen man die Schallausbreitung so exakt steuern kann wie einen Laser. „Damit können Sie beispielsweise die eine Hälfte eines Publikums auf Deutsch und die andere auf Englisch unterhalten“, berichtet Clifford Warner, Direktor des amerikanischen Entertainment-Entwicklungs-Unternehmens Mycotoo.

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Storytelling ist ein Muss

Hollywood und Highland-Komplex Los Angeles: Was aussieht wie Hollywood und Disneyland ist ein Shopping-Center.

Besonders aber, so der Tenor der Fachleute, kommt es darauf an, Besucher in ein Storytelling einzubeziehen und in andere Welten zu entführen: „Die Menschen wollen Ablenkung von ihrer Wirklichkeit“, sagt Osterhout, der gerade einen neuen Freizeitpark in Peking mit aufbaut. „Wir versuchen dabei alles, um China in dem Park zu vermeiden, die Menschen wollen eine andere Erfahrung machen als draußen in ihrer normalen Umgebung.“ Storytelling wird aber nicht nur für Freizeitparks zu einem Erfolgsfaktor. Beispielsweise auch Shopping-Center entdecken zunehmend, dass sie mehr als reine Einkaufsmöglichkeiten schaffen müssen. „In Los Angeles gibt es beispielsweise eine Mall, da glaubt man, man kommt nach Disneyland“, beschreibt Warner. „So entsteht eine Umwelt, in der sich Menschen gerne aufhalten und sich treffen wollen.“ Schließlich aber gelangten die internationalen Unterhaltungsexperten der TEA aber zu einem durchaus überraschenden Fazit.

Bedeutsamster Faktor: Gefühle

Bei allen revolutionären Entwicklungen, die nicht nur die Welt der Freizeitparks verändern werden, gelte weiterhin: „Emotion schlägt Technik“, so fasste es Europa-Park-Chef Roland Mack zusammen. Auch in Zukunft! Demnach wird es in Freizeitparks zukünftig zwar zu einem verstärkten Einsatz von VR-, AR - und Projektionstechnik sowie Digitalisierung kommen. Aber die mit dem Besuch verbundenen Gefühle bleiben der bedeutsamste Faktor. „Menschen lieben den Kontakt untereinander“, stimmten die Experten überein. „Technologie ist nur ein Werkzeug.“ Dagegen seien die Umwelt eines Freizeitparks und wie sehr es ihm gelingt, Besucher in Geschichten einzubetten, die eigentlichen Erfolgsgaranten. „Im Hinblick auf die Zukunft halte ich die Nähe zu den Besuchern für äußerst wichtig“, betont Roland Mack. „Das Aufsaugen der Stimmungen, Vorlieben und Wünsche brauchen wir, um immer wieder ein neues Gespür dafür zu bekommen, woran wir noch arbeiten müssen.“ Den Europa-Park, der bereits mehrfach von der TEA ausgezeichnet wurde (darunter mit dem THEA Classic Award, einer der höchsten Auszeichnungen der amerikanischen Unterhaltungsindustrie), sehen die renommierten Unterhaltungsentwickler als Vorbild und als einen der besten Freizeitparks der Welt: „Betritt man den Europa-Park erkennt man sofort, dass die Familie Mack an diesem Ort eine Vision mit Herz und Seele zum Leben erweckt hat“, lobte TEA-Präsident David Willrich.

Der Spaß miteinander bleibt Erfolgsgarant
Interview mit Chris Lange, Creative Director von Mack Solutions, über die TEA-Konferenz und die Zukunft der Freizeitparks

TEA KONFERENZ
Von links nach rechts: Paul Osterhout (Universal Creative), Tracey Eck (Art Director Disneyland Paris), Roland Mack, Chris Lange (Creative Director Europa-Park), David Willrich (Präsident TEA), Keith James (TEA), Christine Kerr (TEA), Cliff Warner (Vorstand Mycotoo).

Welche Anregungen nehmen Sie von der TEA Konferenz mit?
Chris Lange: Wir waren rund 130 Teilnehmer aus 17 Ländern und uns einig: Story geht vor Technik. Man kann die besten Coaster, Projektoren oder Simulatoren haben, ohne Emotion und Geschichte dahinter kommt es nicht an. Ein weiteres wichtiges Thema ist, den Zugang zu den Attraktionen für Menschen mit Behinderung zu vereinfachen. Da ist man in England und den USA schon viel weiter. Ebenso wird es immer bedeutsamer, Sicherheitsthemen bereits im Design umzusetzen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Freizeitparks?
Lange: Für die Besucher steht weiterhin der Spaß miteinander im Vordergrund. Es gilt, den Besucher aus dem ganzen Chaos da draußen für eine gewisse Zeit in eine heile Welt zu entführen, das wird sich nicht ändern. Da ist die Technologie erstmal nebensächlich. In den Parks wird es mehr Interaktivität geben – etwa mit Schauspielern in den Attraktionen, die die Leute in eine Geschichte integrieren.

Und in Bezug auf Technik?
Lange: Augmented Reality (AR ), also die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Im Moment ist die Technik noch nicht ganz so weit, um die ganzen kreativen Potenziale umzusetzen, die es schon gibt. Zum Beispiel VR-Brillen sind noch zu schwer und Batterien halten noch nicht lange genug. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich AR richtig durchsetzen wird, auch in Attraktionen, in der die ganze Familie gemeinsam etwas erleben kann.

Wie arbeitet der Europa-Park an der Zukunft mit?
Lange: In der Virtual-Reality-Technik sind wir mit unserem Coastiality-Angebot Vorreiter. Das führt auch dazu, dass fast täglich Firmen und Startups zu uns kommen und Ideen sowie Produkte vorstellen. Wir müssen aber auch am Ball bleiben, um Vorreiter zu bleiben. Wir entwickeln gerade unter anderem ein „Interactive Gaming“, das wir schon bald in unsere Hotels integrieren.

Chris Lange
Als Creative Director leitet Chris Lange die Mack Solutions. In der 2007 von Michael Mack ins Leben gerufenen Ideenschmiede entstehen
die kreativen Gesamtkonzepte für die Attraktionen des Europa-Park.

Von Christoph Ertz