Ein Nachbar wie aus einem Agenten-Film

Wie kam die große Radarschüssel bei der Euro-Mir in den Europa-Park? Und welchen Zweck hat sie?

Was ist das bloß für ein Nachbar? Bei Rheinhausen türmen sich mächtige weiße Satellitenschüsseln aus der Rheinebene auf. Auch vom Europa-Park aus sind sie zu erkennen. Dazu gesellen sich ein unscheinbarer Flachbau und eine Umzäunung mit Warnschildern: „Achtung Militärischer Schutzbereich!“ Die Einrichtung war bereits da, als in den 1970er Jahren die Planungen und Bauarbeiten für den Europa-Park begannen. „Ionosphäreninstitut“ nannte sie sich damals, was aber eher ein Tarnname war. Dass sich das „Institut“ der Erforschung der Ionosphäre genannten Schicht in der Erdatmosphäre widmete, die den Funkverkehr beeinflusst, indem sie Kurzwellen reflektiert und damit weltweite Verbindungen ermöglicht, hat in der Umgebung sicher niemand angenommen. Vielmehr dürfte jedem klar gewesen sein, dass es sich um einen Geheimdienst Horchposten handelte.

„Seit den Anfängen des Europa-Park hatten wir wegen des Ionosphäreninstituts immer wieder mal Probleme mit Genehmigungen“, beschreibt Europa-Park-Inhaber Roland Mack die Geschichte mit dem Nachbarn. Denn um die Antennen bestehen Schutzbereiche. Hohe Bäume, Metallflächen und Gewässer können reflektieren und damit die wie auch immer geartete Arbeit der Satellitenschüsseln beeinträchtigen. „Wir mussten sogar mit Messungen durch die Bundespost nachweisen, dass unsere Bauten keine Störfaktoren aussenden“, erinnert sich Mack. Hinzu kam, dass sich der Nachbar viele Jahre geheimniskrämerisch gab und nie wirklich einzuschätzen war. „Unser Jurist Willi Thoma wurde wegen des Instituts sogar
ins Zentrum von München geladen, um etwas abzuklären“, erzählt Mack. Es sollte so ablaufen wie in einem Agenten-Film. „Es wird jemand mit Mantel und Hut an Ihnen vorbeilaufen, der wird Sie ansprechen, so wurde Willi Thoma instruiert – und so kam es dann auch.“

Dazu waren mit dem Nachbarn und seinen riesigen Antennen juristische Unsicherheiten verbunden. Wäre Mack möglicherweise sogar persönlich haftbar gewesen, wenn der Europa-Park Messfehler verursacht hätte? „Man konnte nie genau herauskriegen, welche Messaufträge es überhaupt gab und ob die Anforderungen an uns auch berechtigt waren“, erklärt er. Einmal, als sich das „Institut“ in einem Genehmigungsverfahren wieder querstellte, konnte aber der Park-Chef den Messspezialisten eine fehlerhafte Methode nachweisen. „Schon allein dafür hat sich mein Ingenieursstudium gelohnt“, kann er heute darüber lachen. „Manchmal war das aber schon eine leidige Angelegenheit.“ Das änderte sich erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. „Seither haben sich die Technik verbessert und die Aufträge verändert“, vermutet Mack. „Heute kommen wir gut miteinander aus.“ Die Einrichtung hat auch längst ihre Tarnbezeichnung abgelegt und ist inzwischen ganz offiziell eine Station des Bundesnachrichtendienstes (BND). Ende der 1990er Jahren hat sie zudem etwas zum Europa-Park beigesteuert, das mit Sicherheit für viele Besucher auch ein Rätsel darstellt: die große Radarschüssel mit einem Durchmesser von 45 Metern im Russischen Themenbereich neben der Achterbahn Euro-Mir und beim heutigen Festivalgelände.

„Ursprünglich kostete sie 50 Millionen DM, doch dann war ihre Technik veraltet und man wollte sie loswerden“, blickt Mack zurück. Also übernahm der Park die Riesenschüssel für sechs Millionen Mark – doch wie ließ sich der 50 Tonnen schwere Stahlgigant in den Park verfrachten? „Wir hatten damals glücklicherweise einen sehr strengen Winter, so dass wir die 2,5 Kilometer von der Station mit einem Tieflader über die gefrorenen Felder zurücklegen konnten“, erklärt Mack. „In zehn Tagen stand das Ding auf unserem Gelände.“ Heute ist die drehbare Schüssel ein Blickfang, der bei der AR D-Show „Immer wieder sonntags“ immer wieder auch mal vor einem Millionenpublikum präsentiert wird. Spionagezwecken dient sie nicht mehr, versichert Roland Mack. Sie ist nur noch Dekoration. Heute werden spektakuläre Lasershows auf die riesige Schüssel projiziert.