Auch Blinde erkennen Farben

Mit modernen technischen Hilfsmitteln – wie der Farb-App eines blinden Software-Entwicklers aus Dresden

Alljährlich am 4. Januar ist Welt-Braille-Tag. Er erinnert an den Franzosen Louis Braille, der vor rund 200 Jahren die tastbare Blindenschrift erfunden und damit blinden Menschen den Zugang zur Bildung ermöglicht hat. Heutzutage können Blinde sogar das Internet nutzen – dank technischer Geräte. Doch wie sieht es bei den Farben aus? „Geburtsblinde Menschen kennen keine Farben“, stellt der Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen klar. „Sie versuchen Vergleiche zu spürbaren Gegenständen herzustellen, zum Beispiel Rot gleich Feuer.“ Aber natürlich ist auch der Alltag von Blinden von Farben beherrscht: Das beginnt morgens im Badezimmer bei den verschiedenfarbigen Zahnbürsten für jedes Familienmitglied, setzt sich mit grünen oder roten Mappen im Büro fort und reicht bis zu farblichen Orientierungshilfen etwa in der U-Bahn.

Der Entwickler Jan Blüher.

„Sind die Socken grün oder doch eher blau?“ Immerhin solche Fragen können die mindestens 145.000 blinden und rund 500.000 sehbehinderten Menschen in Deutschland heute rasch beantworten. Wieder mit Hilfe moderner Technik und neuerdings sogar nicht allzu teuer und ganz einfach mit einem iPhone – wenn sie die Farbscanner-App von Jan Blüher benutzen. Der promovierte Informatiker aus Dresden ist selbst blind und seit 2012 selbstständiger App-Ent- wickler. Mit seiner Softwarefirma visorApps hat er den Farbscanner ColorVisor auf den Markt gebracht. Die Nutzer können ihre Umgebung über die Kamera am iPhone oder iPad scannen. Eine Stimme sagt dann bis zu 500 Farbtöne an. Es gibt noch andere Anbieter von Farb-Apps und das Prinzip ist auch nicht neu. Seit Jahrzehnten gibt es schon spezielle Farberkennungsgeräte mit Sprachausgabe. Diese können allerdings um die 1.000 Euro kosten – die App von Blüher hingegen gibt es für wenige Euro und ein Handy hat man meist viel schneller zur Hand. „Die Handykamera ersetzt ein Stück weit mein Augenlicht“, sagt Jan Blüher. „Auch Blinde wollen etwas über Farben wissen."

Text: Christoph Ertz

Fotos: ColorVisor