Bierbrauen ist wie gutes Kochen

Gespräch mit dem Chef von Alpirsbacher Klosterbräu, Carl Glauner und Peter Schreck vom Wirtshaus in der Geroldsauer Mühle über Bier, Heimat und das Phänomen Hüttenatmosphäre, Kaminfeuer und Gemütlichkeit

Im Hof des Alpirsbacher Klosterbräu hängt ein altes Schild mit der Aufschrift „Emil Stopp!“ Es stammt aus der Zeit, als das Bier noch mit Pferdefuhrwerken ausgeliefert wurde. Damals war es noch üblich, dass der Bierfahrer bei jeder Abladestation ein Glas aufs Haus serviert bekam –       „ … zur Stärkung“. Damit unser „gestärkter“ Bierfahrer Emil sein Fuhrwerk für die nächste Beladung in der Brauerei auch richtig zum Stehen brachte, wurde dieses Schild als kleine Hilfestellung für ihn montiert. Denn wenn er schon zu viel des guten Bieres getrunken hatte und es ihm deshalb nicht gelang, genau am Schild anzuhalten, war die Schicht für ihn beendet. Bleibt die Frage zu klären, ob Emils Pferde irgendwann gelernt haben, von selbst an dem Schild anzuhalten …

Was bedeutet eigentlich Heimat für Sie?
Carl Glauner: Heimat ist ein schillernder Begriff. Jeder hat seinen eigenen Bezug dazu. Es sind viele Mosaiksteine. Werte und Menschen spielen eine große Rolle, Sitten und Gebräuche, etwa Riten, die man im Laufe des Jahres begeht. Und es ist die Vertrautheit mit einem Ort. Auch Geräusche und Stimmungen können Heimat sein. Heimat ist ein sehr emotionaler Begriff, der in hohem Maße mit Menschen verbunden ist.

Und für Sie, Peter Schreck?
Peter Schreck: Für mich rückte mit dem Wirtshaus in der Geroldsauer Mühle das Wort Heimat noch mal erheblich mehr in das Blickfeld. Ich habe mich viel mehr mit unserer Region beschäftigt. Der Schwarzwald war für mich noch nie so nah wie jetzt.

 Carl Glauner

Gibt es eine Renaissance der Gemütlichkeit? Warum lieben die Menschen eine Holzhütte, eine Almhütte, warme Atmosphäre mit einem Kaminfeuer?
Glauner: Das ist eine Gegenbewegung zu unserem täglichen Leben. Durch die Digitalisierung und die Möglichkeiten, virtuelle Welten zu schaffen, wächst der Wunsch, wieder etwas anzupacken, zu fühlen und zu schmecken, was Realität hat. Die Gemütlichkeit ist eine natürliche Reaktion auf die Veränderung unserer täglichen Welt.

Ist das im Schwarzwald nicht immer schon ein Stück weit gepflegt worden?
Glauner: Es ist wohl nichts Spezifisches für den Schwarzwald. Diese Form der Rückbesinnung und Regionalität finden wir überall. Wir haben die Sehnsucht nach der Weite, nach exotischen Reisezielen, aber auf der anderen Seite spüren wir auch, dass wir hier etwas haben, was die weiteste Reise nicht ersetzen kann.

Die Geroldsauer Mühle, in der wir gerade im Wirtshaus – bei einem Glas Alpirsbacher Mühlenbier – sitzen, ist ja auch ein Symbol für diese Gemütlichkeit ... wie gefällt Ihnen die Mühle?
Glauner: Ich bin wirklich begeistert. Hier finden wir eine Symbiose von traditionellem Stil und moderner Interpretation. Das ist alles mit großer Liebe zum Detail handwerklich hervorragend umgesetzt. Das ist keine verstaubte Retro-Situation, sondern das ist modern mit Pfiff und Eleganz. Kompliment kann ich nur sagen. Die Geroldsauer Mühle hat eine ganz eigene Note. Dieses Wirtshaus setzt Maßstäbe. Peter Schreck hat von Anbeginn an voll auf Qualität gesetzt. Das ist eine riesige Leistung. Von der Qualität des Essens bis zur Freundlichkeit im Service.

Sie sind auch offizieller Naturpark-Wirt, was bedeutet das für das Angebot an die Gäste?
Schreck: Naturpark-Wirt, über dieses Prädikat habe ich mich wirklich sehr gefreut. Wir verwenden in der Mehrzahl Produkte aus dem Schwarzwald und unserer Region, das ist doch ein super Konzept und ein Mehrwert für den Gast. Unglaublich, was aus unserer nächsten Umgebung kommt, vom Fleisch, übers Gemüse bis zum Käse. Was wir alles haben und in welch guter Qualität!

Wie fühlen Sie sich eigentlich persönlich in der Geroldsauer Mühle, was ist an Ihrem Wirtshaus besonders?
Schreck: Ich fühle mich sehr wohl in der Geroldsauer Mühle und dennoch versuche ich ständig, es noch perfekter, noch runder und noch gemütlicher zu machen. Wir möchten, dass unsere Gäste bei uns ihrem stressigen Alltag entfliehen, bei uns zur Ruhe kommen und das Leben mit Leib und Seele genießen können. Daher legen wir auch großen Wert auf das Ambiente und die Gemütlichkeit. Der offene Kamin, die vielen Kissen, die Dekoration und nicht zuletzt die fantastischen Bilder der Künstler Scherzinger und Wehrle tragen einen großen Teil dazu bei.

Zurück zum Bier ... Herr Glauner, können sich kleinere und mittlere Brauereien als Familienbetriebe überhaupt noch gegen die große Bierkonzerne der Welt durchsetzen?
Glauner: Ja, absolut. Wir haben eine große Chance, uns in diesem zunehmend von Konzentration geprägten Biermarkt zu behaupten ...

... und was können Sie besser als die ganz Großen?
Glauner: Die Großen sind deswegen groß, weil sie sich auf die Masse konzentrieren und möglichst alle erreichen wollen. Damit verlieren sie an Profil und müssen jedermann gefallen. Das gibt uns große Möglichkeiten.

Das heißt, Sie setzen nicht auf Größe, sondern auf Qualität und auch Regionalität?
Glauner: Wir wollen ein qualitatives Wachstum und versuchen, uns ständig zu verbessern. Der Kunde und die Mitarbeiter stehen dabei im Mittelpunkt. Bei uns hat auch das Produkt eine außerordentlich hohe Qualität. Wir verfügen über das einzigartige Brauwasser aus dem Schwarzwald. Dieses wiederum verträgt einen sehr weichen Hopfen. Wir arbeiten ausschließlich mit frischem Naturhopfen und verwenden keine Extrakte, die kostengünstiger wären. Das würde unserem Qualitätsverständnis nicht entsprechen.

Welches ist denn das Qualitätsmerkmal für Naturhopfen? Ist das Bier verträglicher, schmeckt es besser?
Glauner: Unser Bier hat geschmacklich feinere Nuancen und es ist insgesamt bekömmlicher. Wir nehmen dabei durchaus auch in Kauf, dass das Bier nicht so lange haltbar ist und die Geschmacksaromen im Laufe der Zeit abbauen. Aber am Anfang frisch genossen, es gibt nichts Besseres!

Sie führen die Brauerei nun in vierter Generation als Familienunternehmen. Was hat sich in dieser langen Zeit seit 1880 verändert – gibt es da große technische Fortschritte?
Glauner: Die Rohstoffe und die Art und Weise, wie wir Bier brauen, sind immer noch genau gleich wie damals. Natürlich gibt es große technische Fortschritte, beispielsweise beim Energieeinsatz. Wir können schneller abfüllen, haben andere Hygienestandards, aber im Wesentlichen hat sich das Bierbrauen nicht verändert. Es ist kein Geheimnis, sondern einfach die Kunst, aus guten Rohstoffen ein exzellentes Bier zu brauen. Bierbrauen ist wie Kochen: Aus einem schlechten Stück Fleisch kann man kein gutes Steak machen.

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Aber ein Geheimnis gibt es doch sicherlich, wie Sie Ihr Bier brauen? Ein Rezept, das Sie über Generationen weitergeben...
Glauner: ... ja klar, wir haben da schon unsere eigenen Rezepturen ...

Was bedeutet Familienunternehmen für Sie? Warum sind Sie keine Aktiengesellschaft?
Glauner: Ein Familienunternehmen unterscheidet sich vom Konzern in der Frage des Horizonts. Sieht man das Geschäft lang- oder kurzfristig? Die Familie hat – wenn sie harmonisch ist – eine riesige Kraft, weil sie sich nicht einem kurzfristigen Geschehen, beispielsweise an der Börse, unterwerfen muss. Wir investieren langfristig in Kundennutzen und Mitarbeiterwohl. Das prägt das Verhalten. Glücklicherweise empfinden auch immer mehr Kunden solche Werte als sehr wichtig.

Carl Glauner und Peter Schreck (v. l. n. r.)

In Ihrem Firmennamen steckt Klosterbräu, liegt der Ursprung bei den Mönchen?
Glauner: Wir haben das Glück, in Alpirsbach ein wunder- bares Benediktinerkloster zu haben. Das Kloster ist 920
gegründet worden. 1558 hat der Klosterbetrieb aufgehört. Aber die Braustätten auf dem Klostergelände sind geblieben. Wir bauen auf einer sehr alten Tradition auf. Mein Urgroßvater hat auf dem Klostergelände angefangen, Bier zu brauen und hat es Klosterbräu genannt.

Gibt es einen Ort im Schwarzwald, den Sie besonders gerne mögen?                                                                                                                                                                                                                                                                         Glauner: Da gibt es mehrere. Ganz vorne stehen die Glaswaldwiesen in Alpirsbach, aber auch der Blick von der Schwarzwaldhochstraße über die Berge bis in die Rheinebene. Das ist auch ein bisschen von der Gefühlslage abhängig.

Was sind die Glaswaldwiesen?
Glauner: Das ist ein wunderschönes Naturschutzgebiet, in dem unsere Quellen entspringen. Da gehe ich persönlich gerne hin.

Und welches ist Ihr Lieblingsplatz, Peter Schreck?
Schreck: Für mich ist es ganz klar Baden-Baden. Das ist mein Lieblingsort seit Jahrzehnten.

Carl Glauner
(Jahrgang 1958) hat Geschichte und Philosophie (unter anderem in London und Paris) studiert und ist Absolvent der European Business School. Im Alter von 27 Jahren übernahm er 1985 die von seinem Urgroßvater gegründete Brauerei „Alpirsbacher Klosterbräu“. Das altehrwürdige
Kloster Alpirsbach liegt eingebettet zwischen den grünen Höhen und den Wäldern des Schwarzwaldes. 1880 begann die Familie Glauner in Alpirsbach mit dem Anspruch, „das beste Bier weit und breit“ zu brauen, das sich im Lauf der Zeit gegen unzählige Konkurrenten in der Region durchsetzen sollte. Die Familienbrauerei Glauner führt ihre Braukunst nun schon in der vierten Generation fort. Alpirsbacher Klosterbräu beschäftigt 90 Mitarbeiter und hat einen Jahresumsatz von rund 20 Millionen Euro.

Horst Koppelstätter